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Angela Merkels Abschied: Zaudern und Zögern war gestern

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Nach der deutschen Bundestagswahl gilt es auch, das Verhältnis zu Russland, China oder den USA auszutarieren. Über neue Rollenansprüche auf der weltpolitischen Bühne.

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Nach der deutschen Bundestagswahl gilt es auch, das Verhältnis zu Russland, China oder den USA auszutarieren. Über neue Rollenansprüche auf der weltpolitischen Bühne.

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Als der amerikanische Außenminister Henry Kissinger die Unmöglichkeit, jemanden für Europa Verantwortlichen zu erreichen, demonstrieren wollte, kreierte er die Formulierung „Who do I call if I want to call Europe?“. Etwas abgewandelt könnte man heute nach der Bedeutung eines guten Drahts zwischen dem Weißen Haus und dem Berliner Kanzleramt fragen beziehungsweise auch überlegen, welche Seite ihn mehr braucht. Jedenfalls hat sich Präsident Joe Biden bei seinem jüngsten Europabesuch als Vertreter einer Supermacht mit menschlichem Antlitz präsentiert. Jedoch hat auch er seine NATO-Partner an ihr Versprechen erinnert, ihre Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Tatsächlich hat der CDU-Kanzlerkandidat, Armin Laschet, kurz davor zugesagt, dieses Ziel – wie vereinbart – bis 2024 zu erreichen.

Die Grünen und die SPD, Letztere immerhin noch Koalitionspartner der Unionsparteien, haben sich dagegen ausgesprochen. Damit scheint sich ein Konflikt nach der Bundestagswahl anzubahnen, da die derzeit wahrscheinlichsten Koalitionspartner, nämlich CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen, in dieser nicht unwichtigen Frage offensichtlich nicht einer Meinung sind.

Irakkrieg als ein Wendepunkt

Dieses Thema ist ein Angelpunkt, um das Verhältnis Deutschlands zu den USA in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Eine ausgezeichnete Grundlage für eine entsprechende Untersuchung bietet Michael Gehlers im Herbst 2020 erschienenes Buch „Deutschland. Von der geteilten Nation zur gespalteten Gesellschaft 1945 bis heute“. Darin wird Deutschland als treuer Verbündeter der USA bis zum Irakkrieg 2003 dargestellt. Die damalige Ankündigung Bundeskanzler Gerhard Schröders (SPD), sich nicht an diesem Krieg zu beteiligen, nennt der Autor „eine säkulare Entscheidung der Emanzipation von den USA“. Die Begründung des deutschen Regierungschefs klang überaus selbstbewusst, indem er darauf verwies, dass sein Land bereits zwei Milliarden Euro für internationale Einsätze zur Friedenssicherung ausgebe.

Die Ablehnung des schon geplanten Kriegs war äußerst populär und war neben der Bewältigung der Flutkatastrophe kurz vor der Bundestagswahl im September 2002 für den knappen Wahlsieg der rot-grünen Koalition verantwortlich. Gehler verweist allerdings auf den kaum mehr bekannten Umstand, dass Schröder sich nicht als erster Kanzler den USA verweigerte. Denn es war Ludwig Erhard (CDU), der sich 1966 trotz erheblichen Drucks nicht am Vietnamkrieg beteiligte, sondern nur ein Krankenhausschiff entsandte. Dass heuer mit dem elften September das von den USA angeführte Afghanistan-Engagement zu Ende geht und die letzten deutschen Soldaten bereits abgezogen sind, ist für die neue Bundesregierung eine sicher willkommene Erleichterung und räumt bei der Koalitionsbildung wohl einen Stolperstein aus dem Weg.

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