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Eine Scheinwelt aufgebaut

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Bei der nächtlichen Begrüßung in Khormaksar spielten diese Sorgen keine Rolle. Als Kachtan — langsam, als wolle er erst wieder vertraut werden mit der heimatlichen Luft — aus dem Flugzeug stieg, gab es nur Jubel. Die bis an die Zähne bewaffnete improvisierte Leibgarde mußte nicht eingreifen. Alles war überwältigt von dem historischen Augenblick.

Knapp eine Woche danach hat

auch der Alltag noch etwas von dem ungewohnten Glanz. Die so lange verschlossenen Läden sind wieder geöffnet, und man hat selbst die Rollläden jener hochgezogen, deren Besitzer längst ausgewandert sind. In den Straßen herrscht normales Leben. Sie sind geschmückt mit den neuen Fahnen, und Fernsehen und Rundfunk senden neben ägyptischen Programmen unermüdlich die neue Nationalhymne.

Der Preis der Freiheit

Und doch täuscht der schöne

Schein. Auf dem Flugplatz landen nur wenige ausländische Maschinen. Die inländische Luftverkehrsgesellschaft existiert nicht mehr. Die Kursflugzeuge der „United Arab“ und „Middle East“ befördern kaum Passagiere. An der Reede „des schönsten Hafens zwischen London und Hongkong“ ankert kein einziges Schiff. Es gibt keine Touristen. Die Hotels sind leer, und die Taxifahrer haben nichts zu tun. Schlagartig

sind die billigen europäischen Präzisionserzeugnisse — Kameras, Uhren, Schreibmaschinen — aus den Schaufenstern verschwunden. Es gibt natürlich jetzt keine Zollfreiheit mehr, und niemand weiß, wann er wieder solche einführen kann.

Beim britischen Abzug erhielten rund 20.000 einheimische Arbeiter und Angestellte, die bei den Streitkräften beschäftigt waren, ihre letzte Löhnung. Für sie gibt es keine Arbeitsplätze, und sie fallen jetzt dem Staat zur Last. Einem Staat ohne Einnahmequellen.

„Heilungs“versuche müssen scheitern

„Die Volksrepublik Südjemen“ verfügt weder über eine nennenswerte Landwirtschaft, noch über Erdöl oder andere Bodenschätze. Aden war früher einmal ein bedeutender Handelsplatz. Aber sein Ruf sank im gleichen Maß, in dem Großbritannien seine Besitzungen „östlich von Suez“ aufgab. Als Bunkerstation für die Weltschiffahrt spielte es eine immer untergeordnetere Rolle, seit die inneren Wirren nach 1959 zuzunehmen begannen. Seit der Suezkanal unpassierbar geworden ist, wählen die Ozeanriesen ohnehin die Kaproute.

Zwischen Aden und seinem Hinterland gibt es wenig Gemeinsamkeiten. Die jetzt regierenden Nationalisten vertrieben in den letzten Monaten die meisten Zwergfürsten der Mitgliedstaaten der ehemaligen „Südarabischen Föderation“ oder zwangen sie zum Nachgeben. Die schwer überwindlich scheinenden Gegensätze zwischen der mittelalterlichen Bevölkerung des Hinterlandes und dem modernen Industrieproletariat der Hafenstadt Aden bestehen weiter. Die naheliegendste Lösung zeigte die jetzt angeblich nicht mehr bestehende „Front für die Befreiung des besetzten Südjemens“ (FLOSY),

von der sich die jetzt herrschende NLF erst später abspaltete. FLOSY verlangte die Wiedervereinigung der britischen Kolonialgebiete mit dem Jemen. Sie ist natürlich undenkbar, solange die innere Zukunft des Nachbarlandes unsicher bleibt und vor allem, solange in Aden eine Terroristengruppe herrscht, die stets nur ein Ziel kannte: Macht.

Westliche Hilfe, so groß sie auch ist, kann zwar Kachtan und seine Clique an der Macht halten, nicht aber ihre innerpolitischen und wirtschaftlichen Probleme lösen. Es ist auch zweifelhaft, ob mit den neuen Machthabern über irgendein wichtiges internationales Problem heute schon vernünftig zu reden ist. Schon jetzt machten sie klar, daß sie beispielsweise in der für sie so peripheren Palästinafrage die Front der härtesten Araberstaaten verstärken wollen. Innerpolitisch haben sie sich noch keineswegs gegen FLOSY durchgesetzt. Diese besitzt die Anhänglichkeit der Adener Arbeiter, verfügt über geheime Waffenlager und wirbt gegenwärtig um ausländische Unterstützung. Aden scheint auch politisch zu bleiben, was es klimatisch ist — eine irdische Hölle!

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