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Krieg am Tor der Tränen

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Der unter sowjetischer Pa-tronanz stehende Südjemen bewacht das Tor zum Roten Meer. Wird aus dem Putsch gegen Ali Nasser ein langer Bürgerkrieg mit Beteiligung von Ost und West?

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Der unter sowjetischer Pa-tronanz stehende Südjemen bewacht das Tor zum Roten Meer. Wird aus dem Putsch gegen Ali Nasser ein langer Bürgerkrieg mit Beteiligung von Ost und West?

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Der „totale Krieg" zwischen dem linken und rechten Flügel der kommunistischen „Sozialistischen Einheitspartei" von Aden, zwischen Staats- und Parteichef Ali Nasser Muhammad und seinem bis 1981 an der Macht befindlichen Vorgänger Ismail Abdel Fattah, lenkte zwei Jahrzehnte nach den schweren Unabhängigkeitskämpfen im damals noch englischen Südjemen die Auf-

merksamkeit der Welt wieder auf die Südspitze der arabischen Halbinsel. Die Schlachten, bei denen an die 10.000 Menschen den Tod gefunden haben, dehnten sich von der Stadt und dem Hafen von Aden über das ganze Festland aus. Einzig ruhiger Platz war die Insel Sokotra geblieben. Dort ist eben der Großteil von über 18.000 russischen Militärs in Volksjemen stationiert.

Der Bürgerkrieg in der „Demokratischen Volksrepublik Jemen" hat aber viel ältere Wurzeln als die kommunistische „Revolution des 14. Oktober".

Für die besonders heftigen Macht- und Richtungskämpfe von 1969,1978 und jetzt wieder 1986 sind neben Moskau, Peking und der neuen französischen und bundesdeutschen Einflußnahme vor allem die alten Gegensätze zwischen Südjemen und Hadramaut verantwortlich, aus denen sich die Volksrepublik zusammensetzt.

Entscheidend war der gesellschaftliche Gegensatz zwischen den vom Sozialdemokraten Abdallah Al-Asnadsch geführten Hafen- und Industriearbeitern in Aden und den konservativen Stämmen im nordöstlichen Hin-

terland zwischen Lahedsch und der Bucht von Qamr. Gerade in Hadramaut entstand aber in Kontrast zu seinen patriarchalen Strukturen die radikal kommunistische „Nationale Befreiungsfront" (NLF). In Südjemen hingegen wurde der antibritische Unabhängigkeitskampf unter den Vorzeichen eines „arabischen Sozialismus" und mit dem Ziel der Wiedervereinigung mit dem inzwischen zur Republik erklärten Nordjemen von der „Befreiungsfront des besetzten Südjemen" (FLOSY) geführt.

Die Ubergabe der ganzen „südarabischen Föderation" an die NLF am 30. November 1967 brachte zunächst deren damaligen Führer Kahtan Asch-Schabi in Aden

an die Macht. Bald zogen Anfang 1968 sowjetische Militärmissionen im Hafen und auf dem Flugplatz von Aden ein.

Der gemäßigte Asch-Schabi wurde 1969 von den .jungen Löwen" der NLF gestürzt. Kein Mitglied des neuen Regimes war damals über 20 Jahre alt. Die heutigen Rivalen Ali Nasser Muhammad und Ismail Abdel Fattah waren schon mit von der Partie.

Außenpolitisch wandte sich Aden von Moskau ab und Peking zu, das ihm zinsenlose Darlehen gewährte. Bald suchte er aber auch den Ausgleich mit der konservativen arabischen Nachbarschaft. 1976 kündete er der gegen den Sultan von Oman operierenden „Befreiungsfront für Dhofar und den

Arabischen Golf" die Unterstützung auf und unterschrieb 1977 einen Wiedervereinigungsvertrag mit der „Arabischen Republik Jemen" im Norden. Die Russen, von denen die chronische Mißwirtschaft in Aden weiter mit 25 Milliarden Rubel jährlich über Wasser gehalten wurde, sahen langsam rot. Sie ließen den Präsidenten Rubaie Ende Juni 1978 durch Abdel Fattah stürzen und erschießen.

Doch konnte sich dieses fanatische Werkzeug ihrer Weltrevolution im ersten Anlauf nicht lange halten: der anfängliche Weggenosse Ali Nasser Muhammad erzwang seinen Rücktritt, mußte ihm aber freies Geleit nach Moskau gewähren.

Unter sowjetischem Druck konnte Abdel Fattah im März 1985 nach Aden zurückkommen, seit Oktober war er wieder Mitglied des Politbüros der Partei.

Auf Direktiven aus Moskau berufen sich aber auch jetzt die Rebellen der „harten" kommunistischen Linie. Noch immer ist es ungewiß, ob Abdel Fattah weiter an ihrer Spitze steht oder ob er tatsächlich am 13. Jänner nach dem gescheiterten Attentat auf Nasser Muhammad aufgehängt wurde.

STICH WORT

Südjemen

Der Südjemen hat 288.000 km2 und etwa 2 Millionen Einwohner. Die Alphabetisierungsrate ist sehr niedrig: 10 Prozent von der Gesamtbevölkerung. Das Pro-Kopf-Einkommen in der Volksrepublik Jemen beträgt etwa 8000 öS im Jahr. Der Südjemen ist das einzige arabische Land, das sich auf den Marxismus als staatstragende Doktrin beruft und diese konsequent und zielstrebig in die Tat umzusetzen versucht. Die Gründung einer „Sozialistischen Einheitspartei" im Oktober 1978 sollte die „marxistische Orientierung" unterstreichen und die Bindung an den Ostblock festigen. A. O.

Reformwillig

Die sowjetische National-ökonomin Tatjana Zaslaws-kaya sorgt für Schlagzeilen: Die aus dem „Nawosibirsker Report" bekannte Wissenschaftlerin schreibt in der Moskauer Tageszeitung „Sowjetskaja Rossija" (7. Jänner), 90 Prozent der Manager und 84 Prozent der Arbeiter befürworten eine „radikale Reform" der sowjetischen Wirtschaft. Die Planwirtschaft zwinge den Arbeiter, so „rasch wie möglich" den Plan zu erfüllen, das Resultat seien vielfach Produkte von geringer Qualität, schreibt Zaslawskaya.

Es ist bezeichnend, daß Zaslawskaya keine Alternativmodelle der sowjetischen Planwirtschaft entgegenstellt, was ein Indiz dafür sein könnte, daß die Diskussion über die Wirtschaftsreform in der UdSSR noch im Gang ist.

Keine Nation

Für Spannung zwischen Belgrad und Sofia sorgt das vor kurzem erschienene Buch des bulgarischen Akademiemitgliedes Konstantin Popov, in dem die Existenz einer „mazedonischen Nation" grundsätzlich in Frage gestellt wird. Popov empfiehlt den Mazedoniern, sich mit „allen Mitteln" gegen die „Assimilierungskampagne" Belgrads aufzulehnen.

Die serbische Kirche verweigert der 1967 unter dem Patriarchen Angelarij gegründeten Mazedonisch-Orthodoxen Kirche die Eigenständigkeit. Auch der bulgarische Patriarch Maximos verweigert den Mazedoniern die Anerkennung. Bislang hat nur die KP Jugoslawiens aus politischen Gründen die Anerkennung der mazedonischen Nation gefordert. ALEXANDER ORSSICH

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