6983253-1986_17_06.jpg
Digital In Arbeit

Kein Eldorado

19451960198020002020

Reagans Luftangriff auf Libyen hat dem Ansehen der USA Schaden zugefügt. Jetzt will man mit einem „Marshall-Plan“ für Nahen Osten um die Gunst der Araber werben.

19451960198020002020

Reagans Luftangriff auf Libyen hat dem Ansehen der USA Schaden zugefügt. Jetzt will man mit einem „Marshall-Plan“ für Nahen Osten um die Gunst der Araber werben.

Werbung
Werbung
Werbung

Ähnlich wie Israels Libanonabenteuer von 1982 hat der amerikanische Libyen-Raid der westlichen Verteidigungsgemeinschaft wichtige militärische und nachrichtendienstliche Erkenntnisse gebracht. Die Auswirkungen dieser Operation „Eldorado“ auf die amerikanisch-sowjetischen Gegensätze und die Vertiefung der Meinungsverschiedenheiten zwisehen Washington und den meisten Mitgliedsstaaten der Brüsseler Gemeinschaften sind schon weniger vorzeigbar. Schon gar kein „Eldorado“ herrscht jetzt im Nahen Osten, wo Ronald Reagan als Friedensstifter in Palästina, Libanon und am Golf auf der arabisch-islamischen Seite völlig an Gesicht und Unparteilichkeit verloren hat.

Jedenfalls haben die auch an zivilen Opfern und zerbombten Botschaften so „erfolgreichen“ Terror-Vergeltungsangriffe auf Tripolis und Benghasi gezeigt, daß es mit der Luftabwehr „made in Moscow“ nicht mehr so weit her ist. Seit ihrer ersten Bewährung im ägyptisch-israelischen Materialkrieg von 1969/70 galten die verschiedenen Typen von SAM-Raketen russischer Provenienz gerade bei den Arabern als regelrechte Wunderwaffe.

Die Weiterentwicklung der amerikanischen Kriegstechnik hat diesen Raketenschirm inzwischen sichtlich überlistet. Gadha-fis sowjetische Abwehrraketen wurden von den Gegenlenksyste-men der US-Geschwader aus Boden-Luft- in Boden-Bodenwaffen verkehrt, die auf dem zu schützenden Gebiet niedergingen. Sie wurden für fast alle Schäden außerhalb der militärischen Ziele der Amerikaner verantwortlich.

Dennoch ist das lediglich ein Erfolg auf Zeit, der die sowjetischen Experten nur zu neuem Wettrüsten anspornen muß. Da hätte das Knacken von Gadhafis persönlichem ostdeutschen Sicherheitsschirm schon weitreichendere Konsequenzen haben können. Der Führer von Tripolis und seine bestbewachte Familie konnten immerhin für den Angriff auf ihr Festungsdomizil von Azizia dort lokalisiert werden, was mit dem Tod einer Tochter, zwei verwundeten Söhnen, dem schweren Schock von Libyens offizieller „first lady“ und der nun doch erwiesenen Rückenverletzung Gadhafis durch Bombensplitter geendet hat.

Vor allem mußte aber sein Schutzengel aus Ost-Berlin aus seiner bisherigen Geheimrolle heraustreten: endlich ist klar geworden, daß es sich bei dem mysteriösen Schatten des libyschen Diktators unter dem Tarnnamen Al-Haensch um den DDR-Agenten Karl Haensch handelt. Der baltendeutsche Gesundbeter Cha-lifa Hanusch ist offenbar hauptsächlich nach Tripolis geholt worden, um ein „Double“ für Attentate zu haben, wie einem 1978 der Vorgänger von Haensch, Werner Lamberz, zum Opfer gefallen war.

Auch das Versagen der sowjetischen Waffenhilfe hätte eigentlich zu etwas Positivem, zur Ernüchterung der Libyer über den großen Bruder im Kreml, führen müssen. Eine ähnliche Enttäuschung der Palästinenser und Drusen hatte vor vier Jahren Reagans damalige Friedensinitiative für den Nahen Osten bei Arafat, Karame und König Hussein überhaupt erst Fuß fassen lassen.

So hätte es jetzt wieder sein können, wäre Reagans ohnedies schon fragwürdigem Bombenschlag nicht noch das Liebäugeln mit einem Umsturz in Libyen gefolgt. In der ganzen arabischen Welt wurden die Sendungen der „Voice of America“, in denen ganz handfest mit einem Ende der Ära Gadhafi spekuliert wurde, sehr hellhörig vermerkt. Nicht nur für Syrer und Iraner wies bald fast ebensoviel wie bei dem Bombenanschlag in Berlin auf die Libyer dann bei der Schießerei in Gadhafis ausgebombter Lagerfestung und dem Putschversuch der tripo-litanischen Garnison von Tarhuna auf amerikanische Verwicklung hin. Reagans innerlibysche Verbündete haben sich außerdem als viel zu schwach erwiesen. Ob das nun die „Nationale Front für die Rettung von Libyen“, die „Libysche Nationalbewegung“ oder die sogenannten Konstitutionalisten waren. Auch die Ägypter müssen es sich jetzt überlegen, ob sie der libyschen Exilszene in Kairo und Alexandria nicht stärker die Flügel stutzen.

Inzwischen hat Muammar Gadhafis Ruf nach einem arabischen Sofortgipfel für Maßnahmen gegen die US-Aggressoren sogar die

Unterstützung von bisher gemäßigten und prowestlichen Staaten am Golf erhalten. Das einzige, was sich für dieses Treffen an Gutem abzeichnet, ist ein Durch-bruch zur Rehabilitierung Ägyptens durch die Arabische Liga. Mubaraks neue Solidarität mit Libyen gegen Reagans neokolonialistische Diplomatie der Bomber und Flugzeugträger wiegt jetzt stärker als Sadats seinerzeitige Unterschrift für die Abmachungen von Camp David.

Angesichts dieser Absetzbewegung aller arabisch-islamischen Freunde der USA vom marokkanischen König Hassan bis zum Sultan von Oman und der Flutwelle des Antiamerikanismus bei den Bevölkerungsmassen, nimmt als Washingtons Gegenzug nun doch ein Projekt erste Züge an, für das Israels Premier Shimon Peres zunächst bei Reagan wenig Gegenliebe gefunden hatte: der Marshall-Plan für den Nahen Osten.

Staatssekretär George Shultz hat diese Woche das konkrete Studium des Planes in Auftrag gegeben. Er soll neben Israel vor allem Ägypten, Libanon, Jordanien und bei Wohlverhalten auch der PLO und Syrien zugute kommen. Die Löwenanteüe an dem Entwicklungsbudget von 20 bis 30 Milliarden Dollar müßten von den USA, der Bundesrepublik Deutschland und Japan getragen werden.

Shultz, der selbst aus dem Business ins State Department gekommen war, ist ein überzeugter Anhänger der These, daß politische Stabilität, und damit auch die Uberwindung des Terrors, eng mit dem Wirtschaftswachstum zusammenhängen.

Uber diesen Rahmen hinaus fühlen die Amerikaner jetzt auch dem saudiarabischen Krösus Ad-nan Kaschoggi auf den Zahn, ob sein Vorschlag für einen viel größeren Hilfstopf mit 300 Milliarden Dollar ernstgemeint war: bei einem geheimen Treffen mit Shimon Peres soll der reichste Mann der Welt einen Friedensfonds in der genannten Höhe angeboten haben, aus dem die Palästinenser und jede arabische Regierung schöpfen dürften. Dann wären die paar Heißsporne vom Schlag Gadhafis wahrscheinlich bald isoliert.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung