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Irrfahrt um die Welt

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Indonesien hat es aus Rücksicht desrepublik abgelehnt, den fünf deutschen Terroristen, d^ren Freilassung aus der Haft durch die Entführung des West-Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz erpreßt worden war, politisches Asyl zu gewähren. Jetzt bleibt den Anarchisten nur noch ein mögliches Fluchtziel: Nordkorea. Doch so kompliziert der Weg dorthin, so ungewiß die Aufnahmechancen. Von südjemenitischer Seite wurden nun die Hintergründe des Aufenthaltes der Fünfergruppe in Aden enthüllt.

Amtliche Kreise der Regierung der Demokratischen Volksrepublik Südjemen bestätigten noch einmal, daß die Terroristen lediglich auf Grund einer Bitte der Bonner Bundesregierung vorübergehend aufgenommen worden seien. Diese Bitte sei der Regierung in Aden durch die deutsche Botschaft in der Hauptstadt Sanaa des benachbarten Nordjemen und über britische diplomatische Kanäle übermittelt worden. Kategorisch dementiert werden vom Südjemen etwaige Kontakte von Regierungsstellen oder politischen Organisationen des Landes mit den Anarchisten. Aden habe lediglich eine selbstverständliche humanitäre Pflicht erfüllt und zur Rettung eines gefährdeten Menschenlebens beigetragen.

Angaben aus Aden zufolge war die Fünfergruppe während ihres ganzen kurzen Aufenthaltes im zweitgrößten Hotel der Hauptstadt isoliert und stand unter ständiger Bewachung durch die Sicherheitsorgane. Der Verkehr mit der Gruppe habe sich insbesondere deshalb schwierig gestaltet, weil nur eines ihrer Mitglieder einigermaßen perfekt englisch und natürlich kein einziges arabisch spreche. Dementiert werden von arabischer Seite auch etwaige Kontaktnahmen der fünf mit den im nördlichen Nachbarland Oman kämpfenden und von Aden unterstützten sogenannten „Dhofar-Rebellen“.

Von seiten der „Palästinensischen Befreiungsorganisation“ (PLO) wurde nicht bestätigt, daß Kontakte zwischen den Terroristen und der in der südjemenitischen Hauptstadt mit einem'Büro vertretenen palästinensischen Dachorganisationr'Stlttliyr\lrP.9 den hätten. Gewährsleute in Aden sind jedoch sicher, daß die Anarchisten Gelegenheit zu solchen Kontakten hatten. PLO-Sprecher erklärten jedoch, ihre Organisation habe keinerlei Interesse an den Anarchisten. Man habe mit ihren Gesinnungsgenossen Baader, Mahler und Meinhof schlechte Erfahrungen gemacht. Bemerkenswert ist auch, daß sich keine der radikaleren Randgruppen innerhalb und außerhalb der PLO für eine Aufnahme der fünf interessierte. Zwischen den Berliner Entführern und möglichen Aufnahmestaaten oder -Organisationen gab es offenkundig keinerlei vorbereitende Kontakte. So gut die Lorenz-Entführung auch geplant war, sowenig Gedanken scheinen sich die Kidnapper um das künftige Schicksal ihrer befreiten Gesinnungsgenossen gemacht zu haben. „Die Handlungsweise der Anarchisten“, erklärte dazu ein PLO-Mann, „zeugt von bemerkenswerter Desorientierung hinsichtlich der Politik unserer Organisation“.

Auch in Aden hinterließen die Flüchtlinge nur Kopfschütteln. Man lernte sie dort als politische Wirrköpfe ohne klares Ziel kennen, die zudem von den Verhältnissen in den sozialistisch regierten Ländern der arabischen und Dritten Welt völlig falsche Vorstellungen haben. Ein auf die Affäre angesprochener südjemenitischer Diplomat zeigte sichtliche Erleichterung darüber, daß sein Land die Verantwortung für die Anarchisten losgeworden ist. Er stellte sogar Vermutungen darüber an, was geschehen werde, wenn kein Land sie aufnehme und ihnen das Geld für weitere Flugtickets ausgehe. „Dann bleibt ihnen nur die Rückkehr in die Bundesrepublik“, meinte er. Und: „Die Zeit der Polit-gangsterei ist vorüber.“ Dieser Verlauf der „Befreiungsaktion“ von Berlin dürfte sich dämpfend auf weitere ähnliche Abenteuer auswirken und er zeigt, daß auch in den arabischen Staaten die Bereitschaft zum Abschluß eines internationalen Abkommens gegen solche Verbrechen gewachsen ist.

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