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Sold im Hinterhof

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Die Befürchtung, die marxistisch gelenkte „Demokratische Volksrepublik Südjemen“ habe bei dem Militärputsch in der benachbarten „Arabischen Republik Nordjemen“ die Hände im Spiel gehabt und der arabischen Halbinsel und damit auch dem Regime des prowestlichen Königs Feisal von Saudi-Arabien drohe neues Unheil, hat sich nicht bestätigt. Äußerer Anlaß für den Staatsstreich des bisherigen stellvertretenden Armeekommandeurs Oberst Ibrachim Mohammed el-Ha-midi gegen Kadi Scheich Abderrach-man el-Iriani, der aus einer jüdischen Familie stammt, war das Wiederaufflammen des seit rund sieben Jahren totgeglaubten politischen Grundgegensatzes zwischen (republikanischen) Bewohnern der städtischen Zentren im Süden und den (royalistischen) Einwohnern im Norden des Landes. Nachrichten aus

der Hauptstadt Sanaa zufolge traten die Exponenten der beiden Richtungen in der politischen Führung, Staatschef el-Iriani und der als Vorsitzender des beratenden Parlamentes, fungierende Scheich Abdullah el-Achmar, nach einem Streit zurück und „zwangen“ dadurch die Streitkräfte, ihrer Version zufolge, zur Machtübernahme.

Diese Machtübernahme erfolgte, was an dieser Version mindestens Zweifel zuläßt, während einer Abwesenheit des Oberbefehlshabers el-Iriani, eines Neffen des Präsidenten, und des Generalstabschefs el-Massuri im Ausland. Beide verloren ihre Posten, doch die erst vor drei Monaten gebildete zivile Koalitionsregierung blieb im Amt. Für die Nichtbeteiligung des revolutionären Südjemen an dem Machtwechsel spricht die amtliche saudische Reaktion. In er-Riad wurde inzwischen mitgeteilt, das Königreich betrachte die Vorgänge in dem kleinen Nachbarland als dessen innere Angelegenheit, dulde aber nach wie vor keine Einmischung, von welcher Seite auch immer, im Nordjemen.

Der Nord Jemen war seit dem Sturz seiner angestammten Monarchie im September 1962 ein Spielball regionaler und weltpolitischer Machtinteressen und ein Jahrfünft lang, bis kurz vor Ausbruch des Sechstagekrieges von 1967, Schauplatz eines blutigen Bürgerkrieges. Eine Woche, nachdem der.Jetzte gekrönte Imam Achmed gestorben war, stürzte der selbst erst kurz vorher aus langjähriger Kerkerhaft befreite Chef der Palastwache, Oberst Abdullah es-Sallal, den Thronerben Mohammed el-Badr. Dieser entkam jedoch in Frauenkleidern aus seinem zerstörten Palast und organisierte im nördlichen Bergland den Wider-

stand der königstreuen Stämme gegen die junge Republik. Deren Staatschef, Marschall es-Sallal, bat und erhielt ägyptische Militärhilfe. Doch das Kairoer Expeditionskorps von zuletzt rund 70.000 Mann siegte trotz moderner Waffensysteme nicht über die höchstens 25.000 Stammeskrieger.

Der Nordjemen erhielt seitdem großzügige Finanz- und Wirtschaftshilfe aus Ost und West und erlebte unter dem Staatschef el-Iriani eine äußerlich ruhige Wiederaufbau- und Entwicklungsperiode. Doch unter der Oberfläche schwelten die alten Gegensätze zwischen Nord und Süd fort. Hinzu kamen permanente Spannungen mit dem benachbarten Südjemen. Dort etablierte sich nach der Unabhängigkeitserklärung von Ende 1967 ein konsequent marxistisches System.

In Sanaa wuchs in letzter Zeit die Kritik an der Immobilität der re-publikanisch-royalistischen Koalition und an der Korruption und Verschwendungssucht ihrer Exponenten. Die Gefängnisse füllten sich mit politischen Häftlingen, und im Norden kam es neben passivem Widerstand gegen die Regierung auch wieder zu vereinzelten Auseinandersetzungen. In der Armee herrschte gleichfalls schon lange Unzufriedenheit. Während die politische Führung in Saus und Braus lebte, bekamen Offiziere und Mannschaften nur kärglichen Sold, und auch diesen nicht immer regelmäßig. Dies wurde denn auch einer der Hintergründe für den Putsch. Dessen Oberhaupt versprach den Angehörigen der Streitkräfte inzwischen in einem Tagesbefehl eine Solderhöhung und andere Vorteile. Auch im fernen Jemen, im Hinterhof Arabiens, geht's letztlich ums liebe Geld.

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