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„Feuer Ende“ im Jemen

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Während die Weltöffentlichkeit gespannt auf den fernöstlichen Kriegsschauplatz blickt, entscheidet sich im nahöstlichen Krisengebiet ein anderer Krieg: der Bürgerkrieg zwischen Arabern und Arabern, Jemeniten und Jemeniten im Südwestzipfel der Arabischen Halbinsel. In dem rückständigen Land zwischen Kronkolonie Aden und Saudisch-Arabien erlebt die ägyptische Armee die dritte Niederlage in 13 Jahren seit ihrem Staatsstreich. Der mehr als zweieinhalb Jahre andauernde Invasionskrieg, der militärisch nicht zu gewinnen war, geht politisch verloren. Die ägyptischem Modell nachge-eiferte Revolution des Obersten Abdullah es-Sallal kam zu früh.

Der Umsturz in dem jahrhundertelang verschlossenen mittelalterlichen Königreich schien Ende September 1962, sieben Tage nach dem Tod des gefürchteten letzten Imams Achmed des „Dämons“ und vier Tage vor der Thronbesteigung seines Sohnes Mohammed es-Badr, ein verwunschenes Volk schlagartig in die Gegenwart zu katapultieren. Seit Kriegsende wurde selten ein Umsturz so

einhellig begrüßt. Ein Wettrennen spielte sich ab zu den neuen Herren; Ägypten erkannte sie als erster arabischer, die Sowjetunion als erster östlicher, die Bundesrepublik als erster westlicher Staat an. Doch aus der vormuselmanischen Staats-, Gesellschafts- und Lebensform wunde nicht übergangslos eine des Atomzeitalters. Der ungekrönte König entkam zudem im Morgengrauen nach der Revolutionsnacht aus seinem zerschossenen Palast. Beides waren Keime, die die Wurzeln des Umsturzes zersetzten, ehe sie sich im steinigen Bergboden Nordjemens oder nur im südjemenitischen Wüstensand festkrallen konnten.

Die Jemeniten leben in einer patriarchalischen Stammesgesellschaft, und die weitgehend autonomen Scheichs sind Mittler zwischen Individuum und Staat. Für diese ist eine politische Neuordnung früher oder später das Ende ihrer Macht. Diese Erkenntnis, Treue zum angestammten Herrscherhaus und Unterstützung durch Saud I. trieben die nordjemenitischen Stammesführer, zu denen sich El-Badr flüchtete, zum gestürzten Imam. Der Machtbereich der Republik blieb auf das südliche Städtedreieck Sanaa-Taiz-Hodeida beschränkt, und ihre Anhänger rekrutierten sich lediglich aus Soldaten, kleinen Handwerkern und befreiten politischen Häftlingen.

Ägypten greift ein

Der Imam führte einen erfolgreichen Guerillakrieg, so daß die Revolutionäre fremde Hilfe brauchten. Ägypten entsandte nach dramatischen Kabinettsitzungen in Kairo —|k> denen sich Abdel Nasser starker Opposition ehemaliger Mitkämpfer., und damaliger enger Vertrauter, die er daraufhin absetzte und verbannte, erwehren mußte — ein 20.000 Mann starkes Expeditionskorps, Später erhöhte sich die Mannschaftsstärke auf 52.000 Mann; Eliteeinheiten wurden häufig ausgewechselt, Düsenflugzeuge, moderne sowjetische und biologische Waffen eingesetzt. Der Frontverlauf änderte sich indessen nur unwesentlich; die Royaliisten blieben, wo sie waren — fünf Kilometer nordöstlich Sanaas! Sie kämpften mit dem Mut der Verzweifelten, erhielten saudisches Geld und Waffen und verbreiteten Angst und Schrecken unter den Ägyptern. Gefangenen pflegten sie häufig Na-

sen und Ohren abzuschneiden und sie über die Front zurückzujagen. Meldungen darüber dürfen ebensowenig wie Gefallenenanzeigen in der ägyptischen Presse erscheinen.

Der Nildiktator dekretierte, es werde gesiegt. Also gibt es keine Toten, und er kümmert sich nicht um die Gefangenen. Die jahrelang geschulten, ausgeruhten, hervorragend ausgerüsteten Soldaten wurden nicht fertig mit schlecht vorbereiteten, unzureichend bewaffneten Stammeskriegern. Ägypter sind schlechte Soldaten.

Zu unzureichenden militärischen Fähigkeiten und schlechtem Kampf-

geist kamen administrative Mißerfolge. Ägypter und Jemeniten gerieten in einen teuflischen Circulus vitiosus: Revolutionäre Jemeniten verstanden keinen modernen Staat zu verwalten. Ägypter mußten Armee und Polizei reorganisieren, Verwaltung aufbauen, Währung und Steuersystem einführen, wobei sie naturgemäß vom eigenen Vorbild ausgingen. Jemeniten haßten die damit verbundenen Geheimdienstmethoden, ärgerten sich über ägyptische Beamte und mißtrautem dem neuen Papiergeld. Daraufhin spielten sich die Ägypter als Besatzungsmacht auf.

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