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Fürst des Rifs

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Nach 20jähriger Verbannung . auf der Insel Reunion ist Abd el Krim auf dem Wege nach Frankreich. Ein Gnadenakt der französischen Regierung hat die über ihn verhängte Strafe aufgehoben. Die Welt hat sidi in den letzten Jahren zu schnell gedreht, um die Erinnerung an diesen Führer der Rifkabylen wachzuhalten. Mohammed abd el Krim Kathabi aus dem Stamme der Beni Uriagel, einst oberster Richter von Melilla, dann Rebelle, General, Politiker und Anwärter auf den grünen Turban de* Propheten, glühte einem Kometen gleich am vielfarbigen Sternenhimmel mohammedanischer Revolutionäre auf und versank ebenso schnell, wie er aufgetaucht war. Im Jahre 1915 war er als deutscher Spion verhaftet worden, im Gefängnis fand er di Muße, um seine Pläne gewissenhaft zo überdenken. Als er nach elf Monaten Haft wieder in Amt und Würden eingesetzt wird, greift er zu den Waffen und überfällt die Spanier bei Abera. Sieg folgt auf Sieg. In der Schlacht von Aumal verliert Spanien neben 15.000 Soldaten und 200 Geschützen fast die gesamte Kolonie. Für die Freilassung der Gefangenen erhält er Millionen Peseten. 1922 läßt Abd el Krim sich zum Emir des freien Staates der Rifkabylen ausrufen. Ein Jahr früher nur den spanischen Kolonialbehörden bekannt, ist er jetzt eine Persönlichkeit geworden, die die Titelseite aller Zeitungen schmückte. Ein Mahdi des afrikanischen Nordens, den der überall gärende Islam nur zu gern zur Kenntnis nimmt. Ein erbitterter Feind zweier Imperien. Denn im Jahre 1925 marschiert er an der Spitze seiner Armee, mit dem Wahlspruch: „Besser jählings sterben, als langsam unter fremdem Joch. Der Tod für die Freiheit ist 'aber kein Tod, sondern das ewige Leben“ in Französisch-Marokko ein. Das war sein Höhepunkt. Überall dort, wo es treue Anhänger des Propheten gab, wurde für ihn Geld gesammelt, mit Geld erkaufte r sich die Hilfe europäischer Offiziere. Am Zenit seines Ruhms erreichte ihn ein Brief des berühmten ägyptischen Scheichs El Meniani, der ihn zum Kalifatskongreß nach Kairo einlud, um ihn dort mit dem Mantel des Propheten und der Würde des Kalifen zu bekleiden. Doch der Traum war bald ausgeträumt. Von Frankreich und Spanien gleichzeitig bekämpft, vom Sultan von Marokko, der für sein Land fürchtete, geächtet, mußte er am 30. Mai 1926 kapitulieren. Er hatte den Franzosen 6000 Tote und 1167 Millionen Francs gekostet. Über die Festung Casablanca und Frioul führte sein Weg nach der Insel Reunion in die Verbannung. Sein Kampf war der Kampf des zu neuem Leben erwachten Wüstenreiters, der einst bis vor die Tore Wiens gekommen war. Sein Beispiel, des Sieges des kleinen Wüstenstammes über Armeen der Großmächte, fand Nachahmung.

Nun ist er in das Land seiner ehemaligen Todfeinde zurückgekehrt und seine Kinder werden in Frankreich ihre Erziehung vollenden. Und Frankreich vergaß großherzig, was einmal im Rif geschehen war.

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