Ägypten regieren ist nicht einfach

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Vor 60 Jahren wurde mit Faruk I. Ägyptens letzter Monarch gestürzt. Es folgte das Zeitalter der Offiziere. Dem Land brachte dies Stabilität trotz Bevölkerungswachstums und Armut.

"In ein paar Jahren wird es nur noch fünf Könige geben: Den Herz-König und Karo-König, den Pik-König und Treff-König - und den König von England“. Prophetisch sagte Faruk I., Ägyptens letzter Monarch, im Jahr 1950 seinen Sturz voraus. Im verlorenen Krieg gegen das junge Israel (1948/49) war ihm die Unterstützung seiner Militärs verloren gegangen. Zwei Jahre später stand er in Alexandria an Deck seiner Königs-Yacht "Mahrousa“; mit den Worten "Ägypten zu regieren, das ist nicht einfach!“ verließ er sein verlorenes Reich.

Das Zeitalter der Offiziere war gekommen. Es hat dem (nach Nigeria) zweitgrößten und bevölkerungsreichsten Land Afrikas eine beispiellose politische Stabilität gesichert - trotz aller Kriege, aller Armut und der Verdreifachung seiner Bevölkerung auf heute 83 Millionen. Freilich auf Kosten von Freiheit, Menschenwürde und sozialer Gerechtigkeit.

In den 60 Jahren als Republik hat Ägypten nur vier Präsidenten erlebt - nur Militärs, wenn auch von unterschiedlichstem ideologischem Zuschnitt:

* Der erste, General Mohammed Nagib (1952-1954) Kriegsheld in Palästina und Ehrenmann, dient den jungen "Freien Offizieren“ anfangs als populäres Aushängeschild. Bis die Kluft zwischen den jungen Revolutionären um Gamal Abdel Nasser und Nagibs Bekenntnis zu Demokratie, Mehrparteien-System und einem Rückzug der regierenden Generäle in die Kasernen unüberbrückbar wird.

Auf seinen Sturz 1954 folgen 18 Jahre seiner Total-Isolation unter Hausarrest - die den einst begeisterten Anhänger Napoleons und Atatürks zum glühenden Parteigänger Mahatma Gandhis machen. Von der offiziellen Geschichte weitgehend vergessen, stirbt Nagib 1984 in Kairo - nur eine U-Bahn-Station erinnert noch an ihn.

Ägypten unter den Blockfreien

* Mit dem erst 34-jährigen Feuergeist Gamal Abdel Nasser schwingt sich ab 1954 ein Führer ganz anderen Zuschnitts in das Amt des "großen Führers“: Visionär und machtbewusst, wächst der begnadete Redner vom Nationalisten zum pan-arabischen, pan-afrikanischen Volkstribun und - gemeinsam mit dem Jugoslawen Tito, dem Inder Nehru und dem Indonesier Sukarno - zur Symbolfigur der Blockfreien-Bewegung. 16 Jahre lang suggeriert Nasser den Ägyptern ein Selbstbewusstsein, das der bitteren Wirklichkeit von Kriegs-Katastrophen (Suezkrise 1956, Sechstagekrieg 1967), von gescheiterten Föderationen mit Syrien und Jemen, von Misswirtschaft und Polizeiterror nicht entspricht. Sein Tod im Herbst 1970 löst dennoch eine Massenhysterie aus - fünf Millionen Menschen folgen seinem Sarg.

* Sein Nachfolger Anwar as-Sadat, ebenfalls aus dem Kreis der "Freien Offiziere“, scheint zunächst das Sprichwort zu bestätigen, dass starke Führer auf schwache Nachfolger setzen. Bald aber zeigt der Unauffällige ein markantes Profil: Er orientiert die bisher sowjetnahe Politik nach Westen und schickt Tausende Militär- und Wirtschaftsberater Moskaus nach Hause. Er verzichtet auf pan-arabische Ansprüche. Still plant er den Überraschungsangriff gegen Israel von 1973 ("Oktoberkrieg“) - um durch Teilerfolge (Überschreiten des Suezkanals) Ägyptens Ehre wiederherzustellen und die Aufnahme des Nahost-Friedensprozesses zu erzwingen.

Mit seiner Reise nach Jerusalem, dem "Camp-David-Frieden“ und der Anerkennung Israels riskiert Sadat die innerarabische Total-Isolierung Ägyptens - bei gleichzeitiger Allianz mit den USA (nur Israel bekommt noch mehr US-Hilfsmilliarden). Diesen "Verrat an der arabisch-islamischen Solidarität“ zahlt der Friedensnobelpreisträger Sadat im Oktober 1981 mit dem Leben, als ihn islamistische Soldaten bei einer Militärparade erschießen. Die Hoffnung der Mörder, damit auch eine islamistische Volksrevolution auszulösen, erfüllte sich nicht.

* Hosni Mubarak, einst Luftwaffenchef und Vizepräsident, steht während des Attentats auf Sadat an dessen Seite, bleibt aber unverletzt - was ihn 1981 zum Nachfolger macht, aber Gerüchte über seine mögliche Mitwisserschaft nährt. In 30 langen Herrschaftsjahren gelingt es ihm, die innerarabische Vormacht Ägyptens trotz Friedens mit Israel und Bündnis mit den USA zu festigen. Im Nahostdrama und bei innerarabischen Krisen ist er immer wieder der einzige Vermittler zwischen allen Konfliktparteien.

Innenpolitisch balanciert Mubarak über viele Jahre zwischen einer Allianz mit den konservativen muslimischen Hierarchien bei gleichzeitig gnadenloser Verfolgung von Islamisten, aber auch zwischen scheinbarer Liberalisierung des Systems und einer - dank Günstlingswirtschaft - totalen Absicherung seiner pharaonischen Allmacht über Staat, Militär, Geheimdienste.

Seiner zunehmend sklerotischen Herrschaft entzieht sich am Ende nur ein bisher recht unerheblicher Machtfaktor: das Volk, die Jugend vor allem - mit ihren Sehnsüchten und ihren neuen Technologien.

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