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Ägypten in Bedrängnis

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Gewiß, mit Anwar el Sadat ist ein großer Mann ermordet worden. Aber daß er in der Welt und für die Welt größer als im eigenen Land war, hat man auch vor seinem tragischen Ende schon gewußt.

Dieser Tage hat es auf einer Pressekonferenz in Wien der 1972 aus Ägypten geflohene Anwalt Ahmed Abdelaal in Erinnerung gerufen, der heute (mit Sitz in Warschau) für die von Libyen unterstützte „Ägyptische Nationale Bewegung“ agitiert.

Abdelaal vertrat früher als Anwalt oppositionelle Kräfte und fungierte bei einem „arabischen Volksgerichtshof besonderer Art“, der 1978 Sadat wegerv Hochverrats „verurteilte“, als öffentlicher Ankläger.

Daß er heute davon spricht, Sadat sei „nicht ermordet, sondern in Ausführung des damaligen Gerichtsurteils gesetzlich exekutiert“ worden, ist natürlich Propaganda, mit libyschen Öldollars finanziert.

Trotzdem ist einiges von dem, was Abdelaal zu sagen hatte, so harmlos nicht, wie es österreichische Medien in der Berichterstattung darüber (durch Nichterwähnung) abtaten.

Die Wirtschaftslage Ägyptens ist trist. Die Bevölkerung wächst, die Agrarproduktion sinkt, Subventionen fressen die Steuereinnahmen auf.

Tee kostet den Staat doppelt so viel, wie er von den Händlern dafür bezahlt bekommt, Butangas

ist siebenmal so viel wert wie sein Verbraucherpreis, Erdöl wird um ein Sechzehntel des Weltmarktpreises verkauft. Hier sollen demnächst spürbare Reformen ansetzen.

Dennoch liegt die Inflationsrate derzeit bei 15 Prozent. Die Suez-

kanalgebühren, Devisensendungen ägyptischer Gastarbeiter aus dem Ausland und Fremdenverkehrseinnahmen reichen (zumal alle sinkend) nicht mehr aus, das Zahlungsbilanzdefizit auszugleichen.

Zweieinhalb Milliarden Dollar ist die heuer ins Land strömende Auslandshilfe (die Hälfte davon aus den USA) wert. Zwischen 1978 und 1988 wird Amerika pro Kopf

der Bevölkerung real mehr Geld in Ägyptens Wirtschaft gepumpt haben als mit dem ganzen Mars- hall-Plan ins Nachkriegseuropa.

Aber das Faß ist ohne Boden. Zur nackten Statistik (in diesem Fall dem wirtschaftlich gut informierten Londoner „Economist“) entnommen, kommen die von Abdelaal zwar sicher übertriebenen, aber nicht einfach erfundenen menschlichen Tragödien: Eine Million Ägypter vegetieren in Slums zwischen den Gräbern der Friedhöfe von Kairo, Tausende Kinder leben aus Mülleimern, aus den 5000 politischen Gefangenen der Sadat-Zeit sind 15.000 geworden.

Andere Quellen nennen derzeit um über 1000 vermehrte 1600 Sa- dat-Gefangene. Tatsache ist, daß die Säuberungen von Armee und Regierungsapparat weitergehen. Angeblich sei Sadat, der Anfang September neben vielen militanten Muslimen auch acht Bischöfe und 13 Priester der koptisch-orthodoxen Kirche verhaften und deren Oberhaupt ins Wüstenkloster Natrun verbannen ließ, noch „zu müde“ gewesen.

Die Opposition gegen solche Zustände ist sicher kein unerheblicher Faktor mehr. Sie wächst am rechten, islamfundamentalistischen, wie am linken, Gadaffi-ge- steuerten Rand. Der neue Staatspräsident Hosni Mubarak weiß, wovon er redet, wenn er von der Innenpolitik als derzeitigem Hauptproblem spricht.

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