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Christ unterm Halbmond
Zu den vielen Verständnisproblemen, die „Westler" in islamischen Staaten haben, zählt als nicht geringstes dieses: daß Religion die dominierende Rolle im Leben der Völker spielt — auch in Ländern mit „aufgeklärten" Regierungen und ohne Fundamentalisten-Eiferer.
Für den gläubigen Muslim gibt es keine Trennung von religiösen und weltlichen Dingen. Die Forderung nach Trennung von Kirche und Staat ist unvorstellbar, auch wenn in der Praxis ein Auseinanderhalten der Bereiche vielfach versucht wird.
Andererseits strebt der Islam keine Eintopf-Weltreligion an: Christen sollen sich ans Evangelium halten und Juden an die Tho-ra (und beide den Muslimherrschern Tribut zollen) — das etwa ist die Idealvorstellung.
In der Praxis kann dies sehr Unterschiedliches für die Christen in islamischen Ländern bedeuten. Die Scheiche, Emire und Sultane der arabischen Halbinsel sind meist tolerant. Besonders gilt dies von Sultan Kabus bin Said von Oman, der den christlichen Kirchen Grund für die Errichtung von Gotteshäusern schenkte und ihre Hirten kostenlos in einem seiner Flugzeuge zu ihren Schaf-lein im Landinneren befördert.
Das bestätigt der Kapuzinerpater Barnabas Maddii in Omans Hauptstadt Maskat-Ruwi ebenso wie seine evangelischen Nachbarn, der Anglikanerpf arrer John Hall und der niederländisch-re-formierte Pastor Dick Westra.
Alle drei laufen sie untertags im Ausschlaghemd und ohne Pfarrerschwarz durch die Gegend. Al-
le drei bestätigen sie, daß das persönliche Verhältnis zueinander gut, ein innerchristlicher Dialog aber kaum und einer mit den muslimischen Glaubensgenossen ganz sicher nicht vorhanden ist.
Daran besteht vor allem auch auf islamischer Seite kein Bedarf. „Jeder kann nach seinem Glauben leben, und das ist genug," versichert kurz und bündig Scheich
Amar Ali Amair, Staatssekretär im omanischen Unterrichtsministerium, der FURCHE.
Im wesentlichen aber bestätigen alle christlichen Gesprächspartner: Jeder Missionierungs-versuch wäre höchst gefährlich, man bleibt unter sich mit den eigenen Glaubensgenossen. In Oman sind das vor allem asiatische Gastarbeiter neben den Europäern und Amerikanern.
In Ägypten sind es neben den Letztgenannten ein paar altgewordene Auswanderer von einst und die Kopten — etwa zehn Prozent der Bevölkerung, die als eigentliche Nachfahren der klassischen Ägypter gelten.
Es gibt mit Rom unierte, es gibt protestantische und es gibt vor allem orthodoxe Kopten, von denen Präsident Sadat im September 1981 Patriarch Schenuda III., acht Bischöfe und 24 Priester in Gewahrsam nehmen ließ: weil sie gegen die christenfeindlichen Umtriebe der Muslim-Bruderschaft unter Umgehung Sadats reagiert hatten.
Als „allgemeine Christenver-
folgung" hätte man diese Maßnahme aber nicht empfunden, versichert der junge, sportliche Kapuzinerpater Berthold Tuerffs in Kairo. P
Kapuziner, Jesuiten, Dominikaner und Salesianer haben traditionelle Seelsorgereservate in Ägypten. Ihre Gemeinden sind überaltert.
Im Herzen von Kairo überrascht die moderne Schule der Borromäerinnen mit fast 800 Schulmädchen, die fast ausnahmslos einheimische Ägypterinnen sind. Christinnen? Keineswegs. Die meisten besuchen den auch in dieser Schule angebotenen Koran-Unterricht. Warum gehen sie hin? „Weil deutsche Schulen sehr geschätzt sind." Bonn revanchiert sich mit kräftigen Subventionsspritzen.
P. Berthold lernt Arabisch und studiert islamische Schriften. Das Umgekehrte geschieht viel seltener. Natürlich behindert schon die Sprachbarriere den Dialog. Es gibt diesen ja auch mit den orthodoxen Kopten kaum.
Deren Bischof Amba Ghrigho-rios gibt sich der FURCHE gegenüber dennoch zuversichtlich und abgeklärt: „Seit 13 Jahrhunderten leben Christen und Muslime gemeinsam in Ägypten. Von Fanatikern erzeugte Spannungen waren meist vorübergehender Natur..."
Lebhaft wird er erst, als er am Ende eines eineinhalbstündigen Gesprächs darauf zu reden kommt, daß wir „in einer apokalyptischen Zeit leben" und die seit 1968 in Ägypten registrierten Marienerscheinungen ein Hauptaugenmerk verdienten: „Ich glaube, daß Maria uns auf die zweite Ankunft Christi vorbereitet."
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