Der erste Papstbesuch des Jahres

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1998 wird es in Österreich zwei Papstbesuche geben. Der erste jener vom koptischen Oberhaupt - beginnt am 23. April: Papst Schenuda III. gilt als historische Gestalt seiner Kirche.

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1998 wird es in Österreich zwei Papstbesuche geben. Der erste jener vom koptischen Oberhaupt - beginnt am 23. April: Papst Schenuda III. gilt als historische Gestalt seiner Kirche.

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Schenudas erster offizieller Wienbesuch 1971 - noch als Erzbischof - war geheimnisumwittert: Manche seiner Begleiter waren fest überzeugt: Er wird der nächste Papst. Der 1923 geborene ehemalige Offizier, der in Kairo Theologie, klassische Philologie, Anglistik und Archäologie studiert,danach acht Jahre als Mönch im Wadi Natroun gelebt hatte und seit 1962 Privatsekretär des früheren Papstes und Bischof für religiöse Erziehung gewesen war, mochte schon damals die führende Persönlichkeit in der koptischen Kirche gewesen sein. Aber den Losentscheid voraus zu wissen, ist eine andere Sache. Denn die Wahl eines koptischen Papstes vollzieht sich nach folgendem System: Drei Kandidaten werden von einem Ausschuß gewählt, ihre Namen auf Zettel geschrieben. Ein Kind zieht den, der nächster Papst werden soll. Warum für die Begleiter Schenudas klar war, welchen Namen das Kind ziehen würde, blieb offen.

Fest steht, daß Schenuda bei seinem Besuch in Wien Kirchengeschichte geschrieben hat: Auf Initiative Kardinal Königs lud die Stiftung "Pro Oriente" altorientalische (bzw. "orientalisch-orthodoxe") und römisch-katholische Theologen zu Gesprächen nach Wien ein. Wichtigstes Thema: Die Christologie, konkret die Frage, wie das Mysterium, daß Christus ganz Mensch und ganz Gott ist, richtig ausgedrückt werden könne. Dabei ging es nicht einfach um theologische Spitzfindigkeiten: An dieser Frage war 451 die Kircheneinheit zerbrochen, ein Schisma das bis heute andauert.

Ökumene-Durchbruch Im Redaktionsausschuß für das Schlußdokument saß neben Otto Mauer auch Erzbischof Schenuda und brachte da den entscheidenden Vorschlag, die Grundidee für die "Wiener Christologische Formel" (siehe Kasten). Sie vermeidet die strittige Terminologie ("zwei Naturen" oder "eine Natur"), drückt aber zugleich für beide Seiten den Glauben an Christus - Gott und Mensch in authentischer Weise aus. Schenuda hatte es nicht schwer, daß diese Formel in seiner Kirche anerkannt wurde - sie stammte im wesentlichen aus der koptischen Liturgie.

1973 wurde die Wiener Formel Grundlage einer offiziellen Erklärung von Papst Paul VI. und Papst Schenuda III. Die Strategie von "Pro Oriente" war damit aufgegangen: Theologen sollten fürs erste auf inoffizieller Ebene über die Frage diskutieren. Wenn es ein Mißerfolg wird, können beide Seiten nach Hause gehen und sagen, es war ja nur ein Gespräch. Wird es aber ein Erfolg, so kann das Gespräch auf offizieller Ebene wiederholt werden. Tatsächlich war ein Erfolg ziemlich sicher: Bereits 1964 hatten ("byzantinisch") Orthodoxe und Altorientalen (Orientalisch-Orthodoxe) eine ähnliche Konsultation durchgeführt und gegenseitig den orthodoxen Glauben der anderen Seite anerkannt, konnten aber noch keine nähere Formulierung finden.

Heute ist dieser Dialog zwischen Orthodoxen und Altorientalen bedeutend weiter gediehen: Schon bald könnte eine Wiedervereinigung bevorstehen - nach mehr als 1.500 Jahren Trennung ein wirklich historisches Ereignis. Sämtliche theologische Differenzen konnten inzwischen in einer offiziellen Kommission geklärt werden, für eine offizielle Aussöhnung braucht es allerdings noch den Beschluß aller 19 beteiligten Landeskirchen (die orthodoxen Kirchen haben keine dem Papsttum vergleichbare Entscheidungsinstanz).

Die Kontakte zwischen den Kirchen in Ägypten sind allerdings verbesserungsfähig. Die anderen Kirchen klagen vor allem über die Wiedertaufe von Konvertiten zur koptisch-orthodoxen Kirche. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um eine mißverstandene Nachahmung der Taufe "sub conditione", die für Konvertiten zur katholischen Kirche gebräuchlich war. Spannungen gibt es auch mit der äthiopischen Kirche, die dem koptischen Papst vorwirft, sich in innere Angelegenheiten einzumischen. 1992 wurde die Kirche von Eritrea, die bisher zur äthiopischen Kirche gehörte, von Papst Schenuda in die Unabhängigkeit entlassen.

Eine große Herausforderung bildet heute für die koptische Kirche die Auswanderung zahlreicher Gläubigen. Diese begann bereits Mitte des Jahrhunderts in größerem Maße, seit 1992, dem Aufflammen des fundamentalistischen Terrors in Ägypten, waren es meist mehrere Hunderttausend pro Jahr. Schenuda war die Gründung von neuen Gemeinden für die Diasporakopten ein vorrangiges Anliegen, zu den über 80 Bischöfen, die er in seiner Amtszeit geweiht hat, zählen auch mehrere für Europa, die beiden Amerikas und Australien. Zweifellos muß es für eine verhältnismäßig kleine Kirche wesentlich sein, daß die Kopten auch im Ausland ihre spezielle Tradition bewahren.

Auch den inneren Aufbau der Kirche hatte Schenuda (auch Schenuti oder Schenute transkribiert) wesentlich umgestaltet. Zum einen ist eine Tendenz hin zur Kleruskirche zu bemerken, zahlreiche Aufgaben, besonders finanzieller Art, die lange von Laien erledigt worden waren, werden heute von Geistlichen ausgeführt.

Die Zahl der Diözesen hat sich erhöht, was eine bessere pastorale Betreuung gewährleistet. Zugleich stieg natürlich der Einfluß des Papstes bei der den Bischöfen - die große Mehrheit der koptischen Bischöfe ist von Schenuda geweiht. Wiederbelebt wurde während seiner Regierung auch die Bestellung von Diakoninnen. Sie erfüllen vor allem soziale Dienste.

Aufgeblüht ist das monastische Leben. Nach Angaben aus der Umgebung des Papstes hat sich die Zahl der Mönche seit seiner Amtszeit verdoppelt, mehrere neue Klöster wurden gegründet oder wiederbelebt, außerdem leerstehende Klöster anderer Konfessionen in Europa und Amerika bezogen, was zumeist von der Umgebung vor allem aufgrund der starken Spiritualität vieler Mönche und Nonnen wohlwollend aufgenommen wurde. Seit 1980 werden die Wüstenklöster durch Straßen erschlossen, ein intensiver Wallfahrtstourismus begann.

Nach Angaben aus Kairo zieht sich Schenuda selbst drei Tage pro Woche ins Wüstenkloster Amba Bischoi zurück, wo er auch während seines Hausarrestes, den Staatspräsident Mubarak von 1981 bis 1985 über ihn verhängt hatte, gelebt hat. Vier Tage in der Woche verbringt er in Kairo. Beeindruckend sind die Katechesen, die er jeden Dienstag gibt. Bis zu 10.000 Gläubige kommen, sie zu hören. Themen sind vor allem Fragen der Lebensgestaltung. Die Teilnehmenden können schriftlich Fragen stellen, die der Papst beantwortet. Bei schwierigen Fragen z. B. in der Ehe lädt er die Fragenden zu einem persönlichen Gespräch mit ihm ein.

Die künstliche Empfängnisregelung wird von ihm ausdrücklich befürwortet, sogar einzelne päpstliche Informationszentren wurden eingerichtet, in der Verhütungsmittel angeboten werden. "Unsere Ziele sind nicht viele Kinder, sondern gesunde, gut versorgte Kinder." Jährlich wächst die ägyptische Bevölkerung etwa um die Einwohnerzahl Wiens.

Fragile Verhältnisse Das Verhältnis zur ägyptischen Regierung ist gut, in der offiziellen staatlichen Hierarchie ist er der dritte nach dem Staatspräsidenten und dem islamischen Repräsentanten. Tatsächlich bereitet der Staat der koptischen Kirche weniger Schwierigkeiten. Ihr gemeinsames Problem ist der islamische Fundamentalismus.

Aber zu Einschränkungen der Religionsfreiheit, wie der, daß der Übertritt zum Christentum mit der Todesstrafe bedroht ist, wird Schenuda wohl ebenso schweigen, wie die meisten anderen Christen aus arabischen Ländern: Sie haben gelernt, daß es am besten ist, die Regierung immer zu loben und zu hoffen, daß das auch alle tun, mit denen sie in Kontakt gekommen sind. Für Kritik können sich die Mächtigen bei Minderheiten sehr leicht revanchieren.

Die Kontakte des Papstes von Alexandrien zu seinem Kollegen in Rom waren schon 1973 ausgezeichnet, als die "Wiener Christologische Formel" Gegenstand eines Abkommens zwischen Paul VI. und Schenuda III. wurde. Der wichtigste römische Papst scheint aber Johannes Paul I., der 33-Tage Papst gewesen zu sein. Er war es gewesen, der (noch als Patriarch von Venedig) der ägyptischen Kirche die Reliquien ihres Gründers, des Evangelisten Markus zurückgegeben hatte, die die Venezier bei einem Kreuzzug mitgenommen hatten. Auch Johannes Paul II. pflegt gute Kontakte zu Alexandrien.

Die Schätzungen über die Zahl der Kopten variieren sehr stark. Amtliche Zahlen sprechen von 2,3 Millionen, was jedenfalls zu niedrig sein dürfte. Die Kirche selbst spricht von 16 Millionen, Kopten in der Diaspora eingerechnet. Westliche Schätzungen sprechen von 8 bis 12 Millionen, darunter auch "Krypto-Christen", also solche, die sich aus Angst vor Nachteilen nicht offiziell zum Christentum bekennen. Die Bezeichnung "Papst" für den Patriarchen kam zuerst für Patrichen in Ostrom auf und wurde später auch für den römischen Papst übernommen.

Tip Papst Schenuda in Österreich * 26. April, 19 Uhr: Festgottesdienst im Stephansdom mit Predigt von Papst Schenuda.

* 28. April, 19 Uhr: Festakt der Stiftung Pro Oriente für Papst Schenuda in der Österreichischen Nationalbibliothek.

Buchtip DIE OSTKIRCHEN - EIN LEITFADEN.

Von Dietmar W. Winkler und Klaus Augustin. Andreas Schnider Verlagsatelier, Graz 1997. 176 Seiten, brosch., öS 240,

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