Durchbruch in der Ökumene

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Pro Oriente, Otto Mauer und die "Wiener christologische Formel", die 1500 Jahre Streit zwischen den altorientalischen Kirchen und Rom beendete.

Monsignore Otto Mauer war ein außerordentlicher Mensch. Er war ein großer Prediger und Theologe, auch wenn er nicht viele theologische Schriften hinterlassen hat. Er war und bleibt der unerreichbare Förderer der Kunst und der Künstler. Meine Bekanntschaft mit ihm umfasst etwa zehn Jahre, von der Gründung der Stiftung Pro Oriente Ende des II. Vatikanums durch Kardinal König bis zu seinem frühen Tod September 1973.

Bis zum Jahr 1969 bestand die ökumenische Tätigkeit von Pro Oriente vor allem in gelegentlichen Vorträgen, insbesondere wenn namhafte Theologen bzw. Hierarchen auf Besuch nach Wien kamen. Alle Vertreter christlicher Kirchengemeinschaften in Österreich wurden in einem Theo-logischen Beirat, zunächst halboffiziell, dann aber ab 1969 offiziell zusammengebracht. Die Mitglieder dieses Beirats trafen sich von Zeit zu Zeit im Haus des Katholischen Akademikerverbands und besprachen und diskutierten verschiedene öku-menische Themen. Während ei-nes solchen Treffens habe ich einmal auf den theologischen Dialog zwischen den orthodoxen und den orientalisch-orthodoxen Kirchen hingewiesen. Otto Mauer war sehr begeistert und schlug mir vor, darüber einen Bericht zu schreiben. Das habe ich getan und mein Kurzreferat wurde in der Zeitschrift Wort und Wahrheit veröffentlicht. Am Ende meines Artikels fragte ich: "Sind diese orthodoxen Beratungen für die römisch-katholische Kirche in irgendeiner Weise interessant? Ohne Zweifel." Mauer stimmte mir zu und es wurde beschlossen, einen ähnlichen Dialog der orientalisch-orthodoxen Kirchen über Christologie und das Konzil von Chalcedon (451 n. Chr. ) mit der römisch-katholischen Kirche abzuhalten.

Etwa ein Jahr dauerten die Vorbereitungen für die Dialog-Konsultation. Die ersten Einladungen habe ich mit Otto Mauer unterschrieben, damit die orientalisch-orthodoxen (altorientalischen) Theologen die Seriosität der Sache erkennen würden und zur Teilnahme an der Konferenz in Wien bereit wären. Tatsächlich erklärten sich namhafte Theologen beider Seiten bereit, an der Konsultation teilzunehmen, wie Alois Grillmeier, Wilhelm de Vries, Piet Schoonenberg, Erzbischof Tiran Nersoyan, V.C. Samuel, Paul (Mar Gregorios) Verghese und nicht zuletzt Bischof Amba Schenuda, der einige Monate danach zum Papst-Patriarchen der koptisch-orthodoxen Kirche gewählt wurde.

Man darf nicht Generalsekretär Alfred Stirnemann vergessen, der vieler Sprachen mächtig war und zahlreiche Theologen und Hierarchen aus dem Westen und Osten kannte. Schließlich wurde am Dienstag, dem 7. September 1971, die erste historische Konsultation eröffnet. Monsignore Mauer erklärte deren Ziele und Aufgaben und ich selbst habe den ersten Vortrag über "Die Ergebnisse der bilateralen Konsultationen zwischen den (byzantinisch) orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen" gehalten. Mauer und ich haben gemeinsam den Vorsitz geleistet.

Schon bei der ersten Konsultation konnten sich die Teilnehmer einigen und verfassten gemeinsam die so genannte Wiener Christologische Formel, die dem Streit um Chalcedon nach etwa 1500 Jahren ein Ende setzte. In dieser Formel haben die Theologen das Nizäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis als gemeinsame Tradition dargestellt, den Vorrang und die Wichtigkeit der ersten drei Konzilien (Nizäa 325, Konstantinopel 381, Ephesus 431) unter-strichen, die nestorianischen und eutychianischen christologischen Positionen abgelehnt und erklärt, dass Jesus Christus, Sohn Gottes und Erlöser der Menschheit, in seinen göttlichen und menschlichen Naturen vollkommen war; bei der Inkarnation seine Gottheit von seiner Menschheit keinen einzigen Moment, keinen Augenblick getrennt war und dass seine Menschheit eins ist mit seiner Gottheit, ohne Vermischung, ohne Vermengung, ohne Teilung, ohne Trennung.

Dieser Erfolg war deshalb möglich, weil die Theologen der Konsultation ökumenisch gesinnt waren und weil die orientalisch-orthodoxen Theologen bereits Erfahrung im christologischen Dialog mit den Orthodoxen (1964-70) mitbrachten. Die Begeisterung war groß und das Ergebnis wurde von den Päpsten und Patriarchen als Durchbruch gelobt und gesegnet. Die inoffiziellen Konsultationen wurden fortgesetzt (1973, 1976, 1978 und 1988) und seit 2004 wird der theologische Dialog in einer gemischten Kommission auf offizieller Ebene weitergeführt. Für diese unschätzbare ökumenische Leistung waren Initiative und Beitrag von Otto Mauer sehr wertvoll. "Das Andenken der Gerechten soll ewig gesegnet sein."

Der Autor ist armenisch-apostolischer Erzbischof von Mitteleuropa.

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