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Eiszeit der Patriarchen

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Die Absage von Patriarch Bartholomaus I. wirft mehr als einen Schatten auf die Ökumenische Versammlung in Graz.

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Die Absage von Patriarch Bartholomaus I. wirft mehr als einen Schatten auf die Ökumenische Versammlung in Graz.

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Die Verhandlungen des päpstlichen Gesandten Humbertus in Konstantinopel endeten 1054 mit der Exkommunikation des Patriarchen Kerullarios durch den Legaten des Papstes. (Papst Leo IX. war im übrigen schon zwei Monate tot.) Kerullarios seinerseits bedachte Humbertus auch mit dem Kirchenbann. Die Ereignisse, die lang als Zeitpunkt der Kirchenspaltung zwischen Ost und West galten, erweisen sich bei näherer Betrachtungsweise als Verkettung diplomatischer Eklats, die zwar nicht unmittelbar die Trennung besiegelten, aber wichtiges Indiz fürs Auseinanderleben der beiden Traditionen darstellen. Erst 1965 wurden die Bannbullen durch Papst Paul VI. und Patriarch Athenagöras i. feierlich aufgehoben.

Durch Diplomatie zerschlagenes Porzellan ist zwischen Konstantinopel und Rom also bittere historische Erfahrung; aus der Geschichte wäre zu lernen - oder auch nicht. Die Absage des Besuchs von Patriarch ßartholo-maios I. in Österreich ist ebenfalls ein diplomatischer Eklat, wenn auch heute, Gott sei Dank, an gegenseitige Exkommunikation niemand denkt. Das scheint aber das einzig Positive zu sein, was nach den letzten Wochen zu vermerken ist. Aufbrechende Wunden und bitteren Nachgeschmack gibt es hingegen zuhauf, das ökumenische Großereignis in Graz (noch dazu zu „Versöhnung”) scheint desavouiert.

Bartholomaios I. sollte im Umfeld von Graz als Staatsgast nach Österreich kommen. Ein an sich schon ungewöhnliches Ereignis, das vor allem auf türkischer Seite (Bartholomaios I. ist Bürger der Türkei) mit Befremden registriert wurde; der Patriarch hätte dadurch aber politische Aufwertung erfahren. Daß er nun seine Gastgeber -neben Gesprächen mit dem Bundespräsidenten war auch die Entgegennahme von Ehrendoktoraten in Wien und Graz vorgesehen - brüskiert und sich selbst um die erhofften politischen Früchte bringt, muß Gründe haben, die Formulierungen des Absagekommuniques wie „Auseinandersetzungen, in denen um Machtpositionen gerungen wird” nur erahnen lassen.

Konstantinopel hatte durch die Absage eines Patriarchenbesuchs in Österreich somit viel zu verlieren. Daß sich hinter den Kulissen noch viel größere Eklats verbergen, und daß die Ökumene zwischen Ost und West, aber auch zwischen Konstantinopel und Moskau wieder ein Stück schwieriger geworden ist, scheint daher evident.

Als Statist mißbraucht

Klar ist, daß einige der an den Bemühungen Beteiligte durchaus eigene Interessen haben. So gibt es zwischen Moskau und Rom vieles, was bilateral zu erörtern wäre. Daß diese Gespräche ausgerechnet für jenen Zeitpunkt geplant wurden, zu dem auch Rartholo-maios I. in Österreich sein sollte, läßt aber nach der nötigen Sensibilität fragen. Die bittere Kommunique-Anmerkung Rartholomaios, weder Rom noch Moskau seien bereit gewesen, inhaltliche Aussagen über die Treffen zu tätigen, klingt deutlich: Der Patriarch fühlte sich als Statist mißbraucht.

Vor wenigen Tagen wurde zusätzlich bewußt, daß zur Ökumenischen Versammlung ja noch ein vierter Patriarch, das Oberhaupt der Armenier Karekin I., kommen würde. Auch ihn einzubinden wurde in letzter Minute versucht, klare Agenda konnten dennoch nicht ermittelt werden.

Ob es nun in Heiligenkreuz zu einem Zweiergipfel zwischen Papst Johannes Paul II. und Patriarch Aleksij II. kommt? In Polen ließ Kurienkardinal Silvestrini am Rande des Papstbesuchs verlauten, die Regegnung sei sehr wahrscheinlich. Aus Moskau gibt es aber immer noch keine Restätigung - außer, daß Aleksij II. nach wie vor kommen will, um die hiesige russischorthodoxe Diözese und die Ökumenische Versammlung zu besuchen.

Alle sind einzubinden

Österreichs Ökumeniker üben sich derweil in Schadensbegrenzung. Für Rischof Weber fällt ein „Schatten” auf die Ökumenische Versammlung. Der in Graz lehrende orthodoxe Theologe Grigorios Larentzakis zeigt sich betroffen: In einen Dialog seien alle Partner einzubinden: „Wenn man jemand besuchen will, kann man nicht sagen: Ich komme, und du mußt auch da sein.” Diese Einschätzung charakterisiert die Stimmung Konstantinopels. Und man müsse, so Larentzakis, die Ordnungen des anderen kennen: „Wenn die Gebräuche des Resuchten es verlangen, die Schuhe vor dem Retreten des Hauses auszuziehen, so kann man nicht sagen: Das will ich nicht.” In diesen Fragen scheint das meiste „passiert” zu sein. Daß der Patriarch von Konstantinopel Partner mit dem ihm gebührenden Rang ist, dürfte für Rom wie für Moskau nicht das wichtigste sein.

Wie ein Patriarchengipfel Rom-Moskau unter diesen Umständen zu argumentieren ist? Graz '97 findet jedenfalls mit einer Hypothek statt.

Einige der Beteiligten verbreiten dennoch Optimismus. So bewertet Herbert Beiglböck, Organisator von Graz, die Bartholomaios-Absage auch als Erinnerung daran, wie schwierig Versöhnung wirklich zu erreichen ist. Der katholische Theologe Philipp Har-noncourt hält die Ökumenische Versammlung erst recht für notwendig: Die Kirchenoberen sollen dort sehen, daß die Basis sehr wohl miteinander kann. Und der Orthodoxe Larentzakis will ebenfalls weitertun: es sei nicht der erste Rückschlag. Für den Auftrag zur Versöhnung gebe es keine Alternative.

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