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Ostkirche rüstet für ihr Konzil

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Nach monatelangem Tauziehen zwischen den entscheidenden orthodoxen Kirchenzentren Athen, Istanbul und Moskau ist nun die Entschließung über den Tagungsort des seit Jahren geplanten Ostkirchen-Konzils zugunsten des Außenseiters Alexandria gefallen. Damit sind die orthodoxen Konzils Vorbereitungen, die mit der Athos-Konferenz von 1930 ihren Anfang genommen hatten, in ihr entscheidendes Stadium getreten.

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Nach monatelangem Tauziehen zwischen den entscheidenden orthodoxen Kirchenzentren Athen, Istanbul und Moskau ist nun die Entschließung über den Tagungsort des seit Jahren geplanten Ostkirchen-Konzils zugunsten des Außenseiters Alexandria gefallen. Damit sind die orthodoxen Konzils Vorbereitungen, die mit der Athos-Konferenz von 1930 ihren Anfang genommen hatten, in ihr entscheidendes Stadium getreten.

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Der Themenkreis und die Tagesordnung der „Großen Synode der Orthodoxie“, wie zum letztenmal eine unter dem Patriarchen Photios 879 in Konstantinopel versammelt war, standen schon seit der I. Panorthodoxen Konferenz von Rhodos fest, die 13 orthodoxe Ostkirchen — nur jene Albaniens fehlte — vom 24. September bis 1. Oktober 1961 auf der unter der Jurisdiktion von Patriarch Athenagoras stehenden griechischen Insel vereinte. Der Themenkatalog enthielt vor allem Reformfragen des liturgischen Lebens, des Klerus und der Mitbestimmung der Laien an der Kirchenverwaltung, der Stellungnahme der Orthodoxie zu den Problemen der modernen Welt von der sozialen Frage bis zur Geburtenkontrolle sowie eine für alle Orthodoxen verbindliche dogmatische Klärung jener

Differenzpunkte, die sich im Laufe der Kirchengeschichte mit den anderen Konfessionen ergeben hatten. Die Patriarchate von Konstantinopel und Alexandria sowie die Kirche von Griechenland setzten eigene Kommissionen ihrer ständigen Bischofssynoden, zu denen auch Theologieprofessoren beigezogen wurden, zum Studium dieser Fragen ein, während dieses in Moskau dem kirchlichen Außenamt unter Metropolit Nikodim, in Bukarest dem „Patriarchalrat für interorthodoxe Beziehungen und rumänische Auslandsgemeinden“ und in den übrigen Kirchen einfach den Bischofssynoden übertragen wurde. Das Patriarchat von Konstantinopel bildete außerdem eine organisatorische Kommission unter dem als Rektor der Theologischen Hochschule von Ohalki bewährten Metropoliten Maximos Rhepanellis

zur Vorbereitung der „Vorsynode“, die dem eigentlichen Konzil vorausgehen sollte.

In den seit 1961 verstrichenen Jahren haben aber viele der dem Konzil vorbehaltenen Probleme in der Praxis der einen oder anderen Ostkirche schon eine vorgreifende Regelung gefunden. Die Wahl zwischen den traditionellen Kirchensprachen Alt-griechisch, Altslawisch und Arabisch, denen nur die rumänische Kirche bereits im 19. Jahrhundert die Liturgie in der Landessprache vorgezogen hatte, und der modernen Umgangssprache der Gläubigen wurde seit 1966 in Jugoslawien zugunsten des Serbokroatischen und in den Diasporagemeinden weitgehend durch Einführung des Englischen, Französischen und Deutschen als Kultsprache gelöst. Auch in der Auseinandersetzung zwischen gregorianischem und julianischem Kalender haben sich die Anhänger des letzteren seit 1961 um das serbische und bulgarische Patriarchat auf die Kirchen Rußlands und Jerusalems sowie die Mönche vom Athos und Sinai verringert. Die Modernisierung der geistlichen Tracht, Wiederverheiratung der Priester und Zulassung der Bischofsehe, die auf Rhodos wegen des Vetos der russi-

schen und der griechischen Kirche nicht einmal diskutiert werden konnten, haben inzwischen einflußreiche Fürsprecher gefunden, an ihrer Spitze neben dem modernen Erz-bischof Jakovos von New York vor allem Patriarch Nikolaos VI. von Alexandria, an dessen Sitz das orthodoxe Konzil sogar stattfinden wird. „Vorkonzil“ wird nach dem Beschluß der V. Panorthodoxen Konferenz von Genf im Jahr 1968 in Anbetracht der weitgehenden Annäherung der Standpunkte keines mehr für nötig erachtet.

Um so mehr hat sich aber an Stelle der eigentlichen Reformthemen die dogmatische Auseinandersetzung mit Katholizismus, Protestantismus, An-glikanern, Altkatholiken und orientalischen Nationalkirchen in den Vordergrund der Konzilsvorbereitungen geschoben, so daß die „Große Synode“, deren letzte Vorgängerin unter Photios die Spaltung der Kirchen eingeleitet hat, geradezu ein „Konzil des Dialogs“ zu werden verspricht Die II. und die III. Panorthodoxe Konferenz, die 1963 und 1964 wiederum auf Rhodos tagten, haben diesen Dialog grundsätzlich gebilligt, während 1966 auf der nachträglich als IV. Panorthodoxe Konferenz gezählten interorthodoxen Theologentagung von Belgrad bereits von Vertretern aller orthodoxen Kirchen besetzte Dialogkommissionen für das theologische Gespräch mit Anglikanern und Altkatholiken eingesetzt wurden, die den Orthodoxen dogmatisch am nächsten stehen. Aber auch der Dialog mit dem katholischen Einheitssekretariat in Rom und dem Lutheranischen Weltbund macht auf bilateraler Basis von Seiten Konstantinopels, Alexandrias, Moskaus und Belgrads

beste Fortschritte, wobei sich auch die innerorthodox noch nicht anerkannte Kirche von Mazedonien um ökumenische Gunst bemüht. So rasch und erfreulich sich die reformatorischen und ökumenischen Aspekte des kommenden Konzils entwickelten, so große Schwierigkeiten hatte die Wahl seines Tagungsortes bereitet. Ursprünglich gab es keinerlei Widerspruch dagegen, Patriarch Athenagoras als einberufendem Primas des Konzils auch dessen Austragung auf Rhodos oder Kreta innerhalb des Konstanti-nopler Kirchenbereiches zu überlassen, doch wollten die Kirchenfürsten aus dem Osten nach der Errichtung der Athener Militärdiktatur und deren kräftiger Einmischung in die kirchlichen Angelegenheiten nichts mehr von einer „Großen Synode“ auf griechischem Boden wissen. Andererseits drängte aber gerade der neue hellenische Erzbischof Hieronymus Kotsonis auf Athen als Tagungsort, wo er bereits Geld für „Konzilsbauten“ sammeln ließ, so daß die von Athenagoras gemachten Vermittlungsvorschläge Wien oder Genf in der Luft hängen blieben. Der letztlich ausgehandelte Kompromiß zugunsten Alexandrias als Konzilsstadt trägt den Wünschen aller Seiten Rechnung: Das Konzil wird von einem griechischen Patriarchat durchgeführt werden, das aber die besten Beziehungen zur slawischen Orthodoxie unterhält; das Konzil wird in Ägypten tagen, das zum Ostblock ebenso freundschaftliche Kontakte bewahrt wie zu Athenagoras' türkischem Gastland und zu den Obersten in Athen. Nach der Uberwindung dieser letzten Hürde muß nun nur noch der Konzilstermin abgewartet werden, der aber nicht vor 1972 liegen dürfte.

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