Gemeinsame Sorge um die Christenheit

19451960198020002020

Schon 1997 hätte im Stift Heiligenkreuz das erste Treffen zwischen einem römischen Papst und dem Patriarchen von Moskau stattfinden sollen. Dieser und spätere Versuche scheiterten. Am 12. Februar ist es endlich soweit: Franziskus und Kirill werden einander begegnen.

19451960198020002020

Schon 1997 hätte im Stift Heiligenkreuz das erste Treffen zwischen einem römischen Papst und dem Patriarchen von Moskau stattfinden sollen. Dieser und spätere Versuche scheiterten. Am 12. Februar ist es endlich soweit: Franziskus und Kirill werden einander begegnen.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Begegnung zwischen Papst Franziskus und dem Moskauer Patriarchen Kirill unter der tropischen Sonne Kubas am Freitag wird einiges in Bewegung bringen - im kirchlichen, aber zweifellos auch im politischen Bereich. Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin, kein Freund großer Worte, sprach am Samstag gelassen von "Auswirkungen nicht nur für die Ökumene, sondern auch für die Weltlage insgesamt".

Die Vorbereitung hatte sich ein Jahr lang hingezogen; dass nichts nach außen drang, spricht dafür, dass beide Diplomatien - die des Heiligen Stuhls und die des Moskauer Patriarchats - ihr Handwerk verstehen, wenn es darauf ankommt. Insgesamt trägt der Vorgang unverkennbar die Handschrift von Papst Franziskus. Dass er zu einem Treffen mit Patriarch Kirill "an jedem gewünschten Ort und zu jedem gewünschten Zeitpunkt" bereit sei, hatte der Papst bereits im November 2014 auf dem Rückflug aus Konstantinopel vor Journalisten gesagt. Papst Franziskus fand dann in dem von Patriarch Kirill beauftragten Leiter des Außenamts der russisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Hilarion (Alfejew), einen kongenialen Verhandlungspartner. Der eigentliche Zweck der zahlreichen Rom-Besuche des Metropoliten während der letzten Monate ist damit deutlich geworden.

Diplomatie vom Feinsten

Dass das Treffen des Bischofs von Rom und des Bischofs von Moskau ausgerechnet in Havanna stattfindet, bedeutet Diplomatie vom Feinsten. Eine ganze Reihe von Botschaften wird hier gebündelt. Kuba signalisiert einen der großen diplomatischen Erfolge des lateinamerikanischen Papstes, denn das "Tauwetter" zwischen Washington und Havanna kam durch vatikanische Vermittlung zustande.Von Havanna aus erreicht man medial mit den beiden Weltsprachen Englisch und Spanisch den amerikanischen Doppelkontinent ,wo das Christentum nicht der doppelten Bedrängnis durch Islam und Säkularismus ausgesetzt ist. Zugleich wird der dynamischen "Kirche des Südens" symbolisch die Hand gereicht, Franziskus reist nach Mexiko weiter, Kirill nach Paraguay und Brasilien (an diesem Detail lässt sich ersehen, dass das Moskauer Patriarchat in den letzten Jahrzehnten bei aller Liebe zur slawischen Heimat ähnlich wie andere östliche Kirchen längst Weltkirche geworden ist).

Vor allem aber erfüllt Havanna die Bedingung, dass die "historische Begegnung" zwischen Franziskus und Kirill auf "neutralem" Boden stattfinden sollte, was nicht politisch, wohl aber kirchenhistorisch zu verstehen ist. Denn alle "neutralen" Orte in Europa sind durch die Erinnerung an die konfessionellen Auseinandersetzungen belastet (das mag mit dazu beigetragen haben, dass das 1997 geplante und schon bis ins Detail vorbereitete Treffen zwischen Papst Johannes Paul II. und Patriarch Aleksij II. in Heiligenkreuz nicht zustande kam).

Das Treffen zwischen dem Papst und dem Patriarchen der orthodoxen Kirche mit den meisten Gläubigen ist nicht ein isoliertes "historisches Ereignis", sondern beruht auf einer soliden Basis. Seit die russisch-orthodoxe Kirche mit dem Ende der Sowjetunion ihre Freiheit wiedererhalten hatte, entwickelte sich ein dichtes Netz von Beziehungen zur katholischen Kirche, das auch in den Jahren der zeitweiligen offiziellen "Eiszeit" zwischen dem kirchlichen Moskau und dem kirchlichen Rom nicht zerriss. Dieses Netz beruht einerseits auf den Partnerschaften einer Reihe großer italienischer Diözesen (Mailand, Trient, Bari usw.) mit russischorthodoxen Eparchien, andererseits auf der Tätigkeit katholischer Organisationen wie "Kirche in Not", die von Anfang an deutlich gemacht hatten, dass es ihnen nicht um die "Abwerbung" von Gläubigen ging, sondern um geschwisterliche Hilfe beim Wiederaufbau einer Schwesterkirche nach sieben Jahrzehnten härtester Verfolgung.

Das Beziehungsnetz ermöglichte nicht nur "reichhaltige und fruchtbare Kontakte" zwischen den beiden Kirchen. Es ergaben sich zwei Bereiche, in denen die Positionen des kirchlichen Rom und des kirchlichen Moskau weitgehend übereinstimmen. Einerseits geht es dabei um gesellschaftspolitische Fragen wie Abtreibung, Euthanasie, Ehe und Familie, Verdrängung des Christentums aus dem öffentlichen Raum, andererseits um die Situation der verfolgten Christen vor allem in islamisch dominierten Ländern.

Die Situation der verfolgten Christen ist auch der eigentliche Anlass für das (auf mehrere Stunden angesetzte) Treffen zwischen Papst und Patriarch in Havanna.

Thema: die Situation verfolgter Christen

Metropolit Hilarion sagte bei seiner Moskauer Pressekonferenz am vergangenen Freitag wörtlich: "Extremisten begehen einen Völkermord an der christlichen Bevölkerung. Das verlangt dringende Maßnahmen und engere Zusammenarbeit zwischen den christlichen Kirchen. In dieser tragischen Situation ist es notwendig, interne Meinungsverschiedenheiten beiseite zu lassen und gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, um die Christenheit in jenen Regionen zu retten, wo sie der bittersten Verfolgung ausgesetzt ist." Wie die "gemeinsamen Anstrengungen" aussehen, wird sich am kommenden Freitag zeigen.

Für den innerrussischen Gebrauch erinnerte der Metropolit unter den "internen Meinungsverschiedenheiten" an eine "sich nie schließende Wunde", nämlich das Problem des Verhältnisses zur unierten griechischkatholischen Kirche in der Ukraine. Die "Wunde" ist momentan besonders brisant, weil einerseits die unierte Kirche auch ökumenische Beziehungen zum sogenannten "Kiewer Patriarchat", einer schismatischen orthodoxen Gruppe, unterhält und andererseits heuer das 70-Jahr-Gedenken der Pseudosynode von Lemberg (Lwiw) fällig ist, bei der auf Befehl Stalins die "Wiedervereinigung" der unierten Kirche mit der russischorthodoxen Kirche beschlossen wurde.

Auch auf diesem Hintergrund ist es beachtlich, dass die "internen Meinungsverschiedenheiten" beiseite gelassen werden, um "mit einer Stimme" - ausgehend von Havanna - vor der Weltöffentlichkeit Zeugnis für das Evangelium abzulegen und für die verfolgten, ihrer Rechte und ihrer Würde beraubten Christen einzutreten.

Der Autor ist Pressesprecher der Stiftung "Pro Oriente" sowie des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung