König Mauer - © Archiv

Otto Mauer: Ein Prophet, mitten im 20. Jahrhundert

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Otto Mauer, dessen Todestag sich am 3. Oktober zum 40. Mal jährte, war weit mehr als "nur" der Brückenbrauer zwischen Kirche und Kunst.

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Otto Mauer, dessen Todestag sich am 3. Oktober zum 40. Mal jährte, war weit mehr als "nur" der Brückenbrauer zwischen Kirche und Kunst.

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Als Brückenbauer zwischen Kirche und Kunst, genauer der Avantgarde zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ist Otto Mauer heute im Gedächtnis. Auch zu seinem 40. Todestag am 3. Oktober wurden seine Verdienste auf dem Gebiet des Gesprächs von Kirche und Kunst gewürdigt (vgl. dazu auch die letztwöchige FURCHE). Doch es greift bei weitem zu kurz, in Mauer bloß den Entdecker und Förderer von Arnulf Rainer & Co zu sehen. Denn dieser Seelsorger und Vordenker prägte den österreichischen Nachkriegskatholizismus.

"Otto Mauer - eine hochgewachsen, asketisch wirkende Gestalt, die - bewusst oder unbewusst -zur Schau getragene Distanz und Nonchalance, die ihm bei vielen den Ruf der Anmaßung, ja der Präpotenz eintrug, so steht er vor mir." Kardinal Franz König charakterisierte mit diesen Worten Mauer 1993 zum 20. Todestag. Weggefährte König setzte im gleichen Atemzug hinzu, dass Mauer dem entgegen durch ein "empfindsames Herz" ausgezeichnet war, und dass ihm die Gabe der Rede gegeben war: Hunderte, wenn nicht Tausende strömten, als er Domprediger zu St. Stephan war, in den Wiener Dom. König bezeichnete den um zwei Jahre jüngeren Mauer im gleichen Atemzug als "außerordentlichen, originellen Theologen" und setzte hinzu: "Ein Theologe ohne Titel und akademischen Auftrag."

Im "Bund Neuland" groß geworden

König wie Mauer waren in der Jugendbewegung der Zwischenkriegszeit, beim "Bund Neuland", groß geworden. Dort kulminierte in Österreich die liturgische und die Bibelbewegung, der Funke der Erneuerung, der dann zum Feuer des Konzils werden sollte, war hier längst gelegt. Auch fürs Überdauern der trostlosen Zeit des Dritten Reiches war dies wichtig. Mit Freunden wie dem späteren Studentenseelsorger Karl Strobl oder dem Begründer der Judaistik, Kurt Schubert, überwinterte Otto Mauer. "Custos, quid de nocte? - Wächter, wie lange noch dauert die Nacht?" - das im Buch Jesaja aufgezeichnete Wächterlied (Jes 21,11f) galt etwa als Richtschnur. "Der Morgen kommt, sagt Wächter, aber noch ist es Nacht", heißt es da weiter - solches stand da auch der jungen Garde vor Augen, die sich nach 1945 anschickte, Kirche und Staat neu zu bauen.

Otto Mauer war dabei an Schnittstellen tätig. Als Mitbegründer und Begleiter der Katholischen Aktion, als Akademikerseelsorger in Wien, mit Karl Strobl als Gründer der Zeitschrift Wort und Wahrheit, jenem katholischen "Theorieorgan", das der spätere Presse-Chefredakteur Otto Schulmeister redigierte. 1952, im Zuge des ersten Katholikentags nach dem Krieg, war Otto Mauer in seinem Element: Bei einer Studientagung in Mariazell ging es um eine Neubestimmung des Verhältnisses von Kirche und Staat. Otto Mauers Zusammenfassung am Ende der Tagung wurde legendär: Die Erfahrungen des Ständestaates hatten die katholische Kirche Österreichs gelehrt, sich aus der Umklammerung einer Partei zu befreien. Das Schlagwort von der "freien Kirche im freien Staat" prägte die Kirche fortan. Das von Mauer vorgetragene und vom damaligen Kathpress-Chef Richard Barta redigierte Dokument ist als "Mariazeller Manifest" in die österreichische (Kirchen-)Geschichte eingegangen. Beim Katholikentag selber hielt Otto Mauer auf dem Wiener Heldenplatz eine fulminante Rede, der Publizist Peter Pawlowsky bezeichnete diese 2007 in der FURCHE als "Akt der ,Entsühnung' des Wiener Heldenplatzes, eineinhalb Jahrzehnte nachdem ebendort Adolf Hitler den Untergang Setterichs ausgerufen hatte".

Das II. Vatikanum längst vorgedacht

Was Konzilspapst Johannes XXIII. als "Aggiornamento" quer durch die Weltkirche trommelte, hatte Otto Mauer in Österreich schon längst im Sinn. Das II. Vatikanum scheint aus dieser Perspektive wie eine Erfüllung von Prophezeiungen, denen gerade Otto Mauer längst das Wort geredet und den Boden bereitete hatte. Die Entdeckung der Laien als Konstitutiv fürs Volk Gottes, als das sich die Kirche auf dem Konzil definierte, gehörte ebenso dazu wie Offenheit der Welt gegenüber: Was das Konzil dekretierte, wurde von Otto Mauer längst gelebt.

Auch am neuen Verhältnis zum Judentum arbeitete Otto Mauer mit - er unterstützte Vorkämpfer wie Friedrich Heer und Kurt Schubert. Mit letzterem setzte auf der Wiener Diözesansynode 1969 die klarste und eindeutigste kirchliche Absage an jede Form des Antijudaismus durch.

Was für den Diskurs in der katholischen Kirche gilt, stimmt auch für die Ökumene, deren Vorreiter Otto Mauer gleichfalls war. Der in Wiener reformierte Theologe Kurt Lüthi (1923-2010) erinnerte sich 1993 an Mauers Bahnbrechungen fürs ökumenische Gespräch. Lüthi nannte da einen Artikel Mauers, der unter dem Titel "Konfliktlösung durch Dialog" erschienen war, und der seine diesbezügliche Philosophie treffend wiedergab.

Die "Wiener christologische Formel"

Ökumene war für Otto Mauer ein weites Feld, dass er gen Westen wie gen Osten gleichermaßen beackerte. Mauer stand gemeinsam mit Kardinal König 1964 an der Wiege der Stiftung Pro Oriente, die die tausendjährige Stagnation der Beziehungen von Westund Ostkirchen maßgeblich aufbrechen half.

Im Gespräch mit den altorientalischen Kirchen gelang unter der Führung Otto Mauers auch der spektakulärste Durchbruch, an den sich heute nur mehr wenige erinnert: Diese Kirchen wurden im vierten Jahrhundert von der allgemeinen Kirche getrennt und galten als "Monophysiten", die die gleichzeitige Gottes- und Menschennatur Christi nicht anerkannten. Im Rahmen von Konsultationen in Wien im Jahr 1971, die unter Mauers Leitung stattfanden, konnte die "Wiener christologische Formel" entwickelt werden, die zum ersten Mal in der Kirchengeschichte eine theologische Überwindung einer Kirchentrennung darstellte, sodass heute zwischen Rom und etwa den Armeniern oder den Syrisch-orthodoxen in der Glaubenssubstanz keine Gräben mehr zu finden sind.

Bekanntlich nahmen im Lauf der Jahre die Bedenken gegen die allzu große Öffnung der katholischen Kirche gegenüber der Welt, den anderen Konfessionen und Religion wieder zu. Der am 3. Oktober 1973 überraschend verstorbene Otto Mauer musste den Rückschritt der Jahrzehnte seither nicht mehr erleben. Heute könnte man nahtlos dort fortsetzen, wo er vor 40 Jahren geendet hat.

Kunst und Prophetie.

Glauben im 21. Jhdt. Ein Abend zur Aktualität Otto Mauers.

Fr 11.10., 18.00, Otto-Mauer-Zentrum, 1090 Wien, Währinger Straße 2-4 www.kav-wien.at

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