Von der Kunst als Lernprozess der Kirche

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Heuer jährt sich zum 40. Mal der Todestag von Msgr. Otto Mauer (3. 10.). Anlass für Überlegungen zur Aktualität seines Kunstverständnisses.

Die Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Kirche war in der Nachkriegszeit eine heftig umstrittene. Sie wird heute wieder virulent und viel diskutiert. Nach dem Krieg war es Otto Mauer, der die Kunst der Gegenwart förderte, sich aber ebenso dafür einsetzte, dass sie für die Kirche, die er liebte, fruchtbar wurde. 1972, ein Jahr vor seinem Tode, hat er das Thema in einem programmatischen Vortrag in München unter dem nicht sehr attraktiven Titel "Moderne Kunst als pastorales Problem“ behandelt.

Er sagte: "Die Kirche muss einen Lernprozess einschalten. […] So wie die Kirche seit den Tagen der Apologeten gelernt hat, sich mit der Philosophie zu beschäftigen, so wie sie sich mit dem Politischen auseinandergesetzt hat, so muss sie sich auch permanent in einen Dialog mit der Kunst einlassen. […] Damit kommt etwas Kreatives in das Christentum. Die Liebe, das größte Gebot, ist doch kreativ. Das Christentum kann doch nicht nur in Rechtsverhältnissen bestehen, nicht nur in Untertänigkeit und Oberherrschaft, nicht nur in Gesetzen und Rabbinismus, nicht nur in Dogmatismen, sondern es muss doch eine große, überzeugende, gewinnende Ekstasis, ein Außersichgeraten und eine Mobilisierung aller menschlichen spirituellen Kräfte sein, es muss doch etwas Kreatives sein. Die Christen können doch nicht einfach immer nur nein sagen zu dem, was die Welt erdenkt oder erfindet.“

Abkehr von der "Bekenntniskunst“

Die Einsichten der Rede im Jahr 1972 hat Mauer erst in einem langen, mühsamen Weg errungen. Der junge Mauer war auf der Suche nach einer "christlichen“ Kunst, nach einer "Bekenntniskunst“ (Robert Fleck). 1935 konnte er noch sagen: "Christliche Kunst verlangt also vor allem einen christlichen Menschen, dem der Glaube Überzeugung und Leben ist, dessen Person und Innenleben von den Kräften des Glaubens durchwirkt ist.“ Und 1941 schreibt er in einem heute schwer erträglichen Pathos: "Das also ist ‚christliche‘ Kunst: die vom Erlebnis der Schöpfung durchstößt zur Wirklichkeit des inneren Dramas der Schöpfung, zur reißenden Dynamik des Geschehens, zur Überwindung der Welt in der Überwelt des dreifaltigen Gottes.“ In den späten fünfziger Jahren kam es zu dem, was Robert Fleck die "Bekehrung Mauers zur Moderne“ nannte. Im Gespräch mit seinen Künstlern entfernte er sich vom Konzept der "christlichen“ Kunst. Er begriff, dass sie nicht im Schlepptau der Kirche segeln wollten, selbst wenn sie sich mit dem Thema "Kreuz“ auseinandersetzten (Arnulf Rainer).

Wogegen Mauer nun ankämpfte, ist eindeutig. Im 19. Jahrhundert hatte sich eine kirchliche Kunst etabliert, die mit der allgemeinen Entwicklung der Kunst nicht Schritt hielt. Man bezeichnete sie als "christliche“ Kunst und suchte sie von der "gewöhnlichen“ Kunst abzugrenzen. Diese Kunst war großteils zweitrangig. Die Kirche wurde - nach einem Wort von Max Weiler - "die Mutter des Kitsches“. Seither haben viele Künstler eine panische Angst, von der Kirche vereinnahmt zu werden.

Keine Fundamentalopposition zur Moderne

Bemerkenswert ist, dass es bei einigen bedeutenden Künstlern zu ähnlichen "Bekehrungen“ kam. Max Weiler suchte in den dreißiger Jahren eine "kultische“ Kunst zu verwirklichen, etwa im Sinne von Romano Guardini. Nach dem Krieg entfernte er sich allmählich von diesem Konzept und schuf Werke, die wohl von der Natur ausgingen, aber gegenstandslos waren. Dass dabei auch spirituelle Werke entstehen konnten, beweist sein Zyklus aus dem Jahr 1960, dem er ein Wort von Meister Eckhart vorausstellte.

Dramatischer verläuft die "Bekehrung“ bei Joseph Beuys. Der junge Beuys stand noch unter dem Einfluss seines Lehrers Mataré und folgte der christlichen Ikonographie, die er allerdings auch schon verwandelte. 1954 geriet er in eine tiefe Krise. Er erkannte, dass er so nicht weitermachen könne. Es war auch ein körperlicher Zusammenbruch, aus dem er sich erst langsam erholte, ein Prozess, der bis August 1957 dauerte. Ergebnis der Bewältigung der Krise war ein künstlerischer Neubeginn. Es kommt zu den großen Aktionen, mit dem Höhepunkt um 1963 bis 1971. Gleichzeitig entwickelt er seine Kunsttheorie, den "erweiterten Kunstbegriff“. Es ging ihm um "eine schöpferische Veränderung des Individuums durch das spiritualisierte Bewusstsein“, aber auch um "eine Methode zur konsequenten Gestaltung der Zukunft“.

Dass die Gedanken von Otto Mauer auch heute noch aktuell sind, beweist das 2004 errichtete Trappistenkloster in Novy Dvur bei Pilsen, das großes Aufsehen erregt hat. Neuerdings ist es durch eine Publikation in der Zeitschrift Kunst und Kirche (Heft 1/2013) auch bei uns bekannt geworden. Der Konvent, dem bereits etwa zwanzig junge Mönche angehören, wollte ein Kloster errichten, das nach alter Zisterziensertradition Einfachheit mit Schönheit verbinden sollte. Man wandte sich an den englischen Architekten John Pawson, der für seine minimalistischen Bauten bekannt ist. Wenn man die Worte des gegenwärtigen Klostervorstehers Dom Samuel liest, meint man Otto Mauer zu hören: "Alles in Opposition zum Modernen zu stellen bringt nichts. […] Durchschnitt ist mit dem Dienst an Gott unvereinbar. […] Die Sakralkunst muss vor allen Dingen Kunst sein, muss ein Werk sein, dessen Form innere Qualitäten aufweist und ausgewogen ist.“

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