6600425-1953_34_10.jpg
Digital In Arbeit

Theologie der Kunst

Werbung
Werbung
Werbung

Auf Jahrhunderte, Jahrtausende zurückblickend, erkennt der schauende Mensch, daß sich die Formen jeder Art von Aussage wandeln, er erkennt, daß sie immer mit der Bewegtheit des Menschengeistes, der Menschenseele zusammengebunden sind. So auch sind die Formen des Bauens, des plastischen Gestaltens, die der Malerei Zeugnisse menschlichen Erlebens.

Wie in der ersten Woche Alfred Schmid dies auf dem Gebiete der Malerei gezeigt hat, ward es in der zweiten Woche deutlich gemacht durch Dr. Urban Rapp OSB. (Münstersch\v;arzach), Prof. Dr. Linus Birchler (Zürich) und Prof. Dr. Wladimir Sas-Zaloziecky (Graz), jedesmal in einer besonderen Sicht: Dr. Rapp unterschied das Mysterienbild vom Kultbild der Antike, zeigte Beispiele dafür und solche aus dem frühen Christentum. Sas-Zaloziecky ließ an seinen Bilderreihen sehen, wie in den basilikalen Bauten das imperiale Rom noch einmal sich äußerte, nun zu Gott gewendet, wie in Plastiken und in Reliefs von Kirchen in Ravenna, Parenzo, Pisa und anderen die menschliche Gestalt in Gebärden, Schritt und Haltung allmählich aus hieratischer Strenge sich zur Bewegtheit gelöst hat. Prof. Linus Birchler gelang es in ganz vorzüglicher Methode zu zeigen, wie in den Elementen des Bauens, in Raum und Baumasse, in Pfeilern und Säulen, im Deckenabschluß, im Mitspiel des Lichtes auf den Reliefs das Kunstwollen (nach Riegl) sich wandelt. Interessant sprach Urban Rapp davon, daß sich das junge Christentum in den künstlerischen Aussagen auseinandersetzen mußte mit der Realität der Dinge und Gestalten und wie vor allem der apokalyptische Gedanke Motiv war, also das Kommen des Herrn auf den Wolken des Himmels. Römische Mosaiken in Cosma e Damiano (Rom) waren große Beispiele. Es ward gezeigt, wie sich erst allmählich die Gestalt Märiens als selbständige Figur herauslöst, aber immer Christus in der Apsis allein

über dem Altare thront. Gelegentlich von Beispielen moderner Kirchenkunst — sie muteten höchst asketisch an — sagte Urban Rapp, daß die Künstler der vergangenen Jahrhunderte kaum so wenig und so schlecht von seiten der Theologen beraten worden sind wie heute. Damit berührte er aber nicht nur die Beziehung zwischen modernem Künstler und dem Klerus, sondern auch die zum Volk. An diese Beziehung, die jedenfalls nicht ganz ohne Belang ist, mußte man auch bei Vorträgen anderer Kunstgelehrter denken. Sie ist ein Problem, das erst nach vielen Auswirkungen moderner Kunstformen auf die Gläubigen halbwegs klar werden kann. Allzuwenig ward es diesmal behandelt. Sas-Zaloziecky ließ das Problem ahnen, in-

dem er Beispiele — in Reliefs — von dem Aufkommen der Volkskunst neben der Hofkunst brachte. Auch war sein Hinweis auf den österreichischen Kunstforscher Wickhoff wertvoll, der, in der Wiener Genesis, die im vierten Jahrhundert entstandene kontinuierliche Erzählweise entdeckt hat, die auf einem und demselben Bilde die Entwicklung eines Geschehens in verschiedenen Szenen darstellt. Urban Rapp erinnerte durch ein Zitat aus Konrad Fiedlers Kunstphilosophie an die Grundtatsache: „Der künstlerische Trieb ist ein Erkenntnistrieb, die künstlerische Operation eine Operation des Erkenntnisvermögens, das künstlerische Resultat ein Erkenntnisresultat.“ Es ist immer den Hörern willkommen, wenn auf Leistungen der Kunsterkenntnis verwiesen wird und diese wieder zur führenden Wertung gelangen. Gut hat es sich in die Ausführungen von Linus Birch-1 e r eingefügt, die Entstehung der Bauästhetik zu skizzieren, von Winckelmann, Schiller, Kant zu Schinkel, Semper, Burck-hardt, und weiter zu Wölfflin, August Schmarsow und Wilhelm Worringen Man kann sicher sein, daß manche der Hörer sich dann aus eigenem Interesse weiter informieren. Mit einemmal wird auch der Blick klar gemacht durch die Worte wie jenes von Goethe — Birchler hat es angeführt —, vom Gefühl für das Perpendikulare, das Ausschwingen zwischen Schwerkraft und Last, durch Winkelmaß und Senkblei kontrollierbar: der Grund aller Eurhythmie, das Grundgesetz der Statik. Und es ging vielen ein Licht auf, ein Licht für das geborgene Gesetz in allen guten Bauten, wenn Birchler sagte: „Unser Gefühl will vor Bauten Sichtbarmachung der Kräfte.“

Es ist immer wohltuend und nützlich, wenn in theoretische und historische Darlegungen Erfahrungen der Praxis hineinsprechen, wie das bei den Mitteilungen des Salzburger Landesplaners, des Architekten Helmut Gasteiner, der Fall war. Er gab sich als sehr kritisch gegenüber den allzu sachgebundenen Standpunkten der Techniker, es wurde deutlich, wie wenig man mit dem Verständnis für sinnvolles, innerlich geleitetes Planen rechnen darf, wie schwierige Fragen der Augenrziehung im Landvolk bestehen, wie durch die gegenwärtigen Verhältnisse etwas Nomadenhaftes als Widerstand gegen traditionellen Zusammenhang eingedrungen ist. In Beispielen und Gegenbeispielen wurde Gelungenes und Danebengeratenes gezeigt.

Aus weitumfassender Praxis eines Kirchenbaumeisters sprach Dr. Rudolf Schwarz aus Köln. Er bezeichnete den modernen Kirchenbau als „Essenz aller Aufträge“, er faßt den Innenraum der Kirche als den Leib der Gläubigengemeinschaft auf und illustrierte dies mit verschiedenen Typen der architektonischen Gestaltung. Man sah da eine Reihe von kirchlichen Innenräumen, wahrlich fern jedem schmückenden Aufwands, kühl in ihrer geometrisch nackten Sprache. Und was dazu erläuternd gesagt wurde, ließ die Tatsache befürchten, daß von intellektuellen Systemen aus dem Volk eine kirchliche Bauweise aufgezwungen wird, die alles andere als volkhaft ist. Und wenn gar gesagt wurde, warum in der Kirche der Bauer nicht seine Tenne, der Arbeiter nicht den Fabrikraum wiederholt sehen soll, so muß man wohl antworten: „Nein, nein: in der Kirche will sich der Bauer, der Fabrikarbeiter an ganz anderen Formen als an

solchen seiner rrtühereichen Umgebung befreiend erleichtern zu innerer Erhebung.“

Von höchster Wichtigkeit war, daß ein ausübender Künstler, ein anerkannter Gestalter religiöser Inhalte, in einer Reihe von Vorträgen seine Ueberzeugungen darlegte: der Maler Professor Richard Seewald (Ascona). Was in diesen Tagungen viel zuwenig, beinahe gar nicht berücksichtigt wurde, die religiöse Dichtung der Gegenwart, hat Seewald aus umsichtiger Geisteshaltung doch angeklungen, mit den Namen Claudel, Bernanos, Mauriac, Julian Green und — wie bedeutsam für alle Zeit! — Theodor Haecker. Und wenn man bedenkt, was sich alles ohne innere Berechtigung für kirchliche Kunst herandrängt, wie notwendig war es, daß Seewald an das Wort von Fra Angelico erinnerte: Wer Christus und seine Umgebung malen will, muß mit Christus leben.“ Seewald beklagte, wie der Kitsch in den Kirchen sich noch immer behauptet, ja wie er in der Ausstellung „Ars sacra“ in Rom vorherrschte, wie wichtig gute Bilder im privaten Raum sind, in Bilderbüchern und Mappen. Damit deutete er auf ein großes, seit Jahrzehnten von Schulen und Museen betreutes Gebiet hin, das aber bei dieser Tagung so gut wie gar nicht zu Wort gekommen ist: auf die Kunsterziehung. Maler Seewald lehnt die abstrakte Kunst als Andachtsbild ab und sagte treffend, sie spreche in Privatsymbolen und Naturdinge verarmen in ihr zur Ornamentik. Hinsichtlich der Kunstentwicklung im letzten halben Jahrhundert sind die Maler um die Gruppe der „Brücke“, also der Expressionismus, die echten Vorläufer einer neuen religiösen Kunst. Daß aber Meister Seewald an eigenen Werken religiöse Gestaltung zeigen werde, diese Erwartung wurde nicht erfüllt; seine Vorträge blieben ohne Bilder. Das ist zu beklagen. Doch seine Worte veranlaßten eine Diskussion höchst temperamentvollen Grades: Ueber dem Altare nur allein das Christusbild (nach Urban Rapp) oder auch das Mariens, dies war die Streitfrage. Und merkwürdig: auch da blieb Anschauen ausgeschaltet. Denn die immerhin künstlerisch geltenden barocken Gemälde mit den Rosenkranzgeheimnissen an den Wänden der Aula academica, das Altarbild mit den Gründern der Orden unter der bewegten Darstellung der Dreieinigkeit mit der begleitenden Gestalt Märiens, diese Kunstwerke, so nahe als Mittel zur Kunsterfassung, sie scheinen von den Vortragenden überhaupt nicht gesehen worden zu sein. Und da muß gesagt werden: bei aller hohen Wertigkeit der Vorträge ist doch eines im Programm übersehen worden: die hochwichtige Aufgabe, die volkhafte Aufgabe: hinzuleiten zur schauenden Erfassung von Werken der bildenden Kunst.

Der religiöse Maler und der kunsterken-nende Theologe, sie gaben der zweiten Vortragsreihe die hohe Prägung: Professor Msgr. Otto Mauer (Wien) legte seine „Theologie der Kunst“ in fünf Vorlesungen dar, reich sachlich mit Zeugnissen des Alten und des Neuen Testaments belegt. Er rechtfertigte die Kunst als Auftrag Gottes. Der wird vori Anbeginn deutlich in der Genesis Mosis, spricht sich in worthafter Gestaltung aus in den gleichnishaften Parabeln Jesu. Alle Schöpfung ist dem Menschen gegeben, daß er sie pflege, daß er selber und was er schafft als Kunst die Ebenbildlichkeit Gottes erfülle. Kunst ist ein weit- und lebendeutender, tiefgeistiger Vorgang. In ihren Gestaltungen ist von Anbeginn, aus dem Geiste Gottes der Zusammenhang zwischen dem Schönen, dem Furchtbaren und dem Häßlichen gegeben. Im Kunstschaffen liegt eine soziale Tat allerbedeutendsten Ausmaßes, allerbedeutendster Verantwortung vor, über das Sprachliche hinaus, jedoch nur bei der objektbezogenen Kunst. Die abstrakte Kunst kann niemals sozialen Charakter haben, sie ist ein Sonderfall menschlichen Ausdruckes, sie birgt aber auch in sich die Entleerung der Kunst. Kunst ist Menschentat, von unten , gesetzt, aber gehalten von Religion, die von oben gesetzt ist. Kunst ist unausgesetzte Schöpfung Gottes, in ihr ist etwas von dem Geiste, der über den Wassern schwebt. Was Mauer sprach, war allem Akademischen fern, es wirkte von den Quellen intuitiver Versenkung aus. (Es sei hier erinnert an Mauers Schrift „Kunst und Christentum“, die 1946 in der Amundusedition in Wien erschienen ist.)

Wenn auch zeitlich der Festakt der Hoch-schul wochen am 8. August, eingeleitet durch eine herrliche Aufführung von Bruckners e-moll -Messe, die den Vorträgen voranging, so ist doch sicher, sein Festliches strahlte über die folgenden Tage hin. Professor Dr. Hans Sedlmayr, der die Festrede hielt, erkennt die Verantwortung der Vertreter der geistigen Welt, erkennt die soziale Verpflichtung der Kunstpädagogen. Die Welt der Kunst muß der Welt des Arbeiters ver-

mittelt werden. Die Spannung zwischen Kunst und Nichtkunst ist heute heftiger als je. Aber wie dem Forscher nach Wahrheit in wissenschaftlicher Form, ist ebenso auch künstlerischer Gestaltung und deren Vermittlung höchst verpflichtende Aufgabe gestellt, aber nur von der Religion her sind die Tiefen des Menschenwesens aufzuschließen.

Vor einem Forum hoher kirchlicher und weltlicher Persönlichkeiten des In- und Auslandes sprach im Namen des Direktoriums der Salzburger Hochschulwochen Professor Dr. Thomas Michels OSB., Salzburg,

und gab seiner und aller Freude über den glänzenden Verlauf dieser Kulturveranstaltung Ausdruck. Der große Saal aber war die ganzen zwei Wochen hin ebenso voll von Menschen, die von vormittags bis in den, Abend hin den oft anstrengenden Vorlesungen mit allem Eifer lauschten und mitschrieben. Was bedeutete so diese beharrliche Anteilnahme am geistigen Leben höchsten, Ranges anderes als den Wunsch, daß die Worte des Erzbischofs Dr. Andreas Rohrbacher Wirklichkeit werden:- Die* katholische Universität in Salzburg1 müsse Wirklichkeitwerden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung