Kaiser Konstantin - © Foto: Rijksmuseum (CC0)

Philippe Buc: „Man traut nicht den Fakten der anderen Seite“

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Philippe Buc spannt Bögen von der Antike bis in die aktuelle Gegenwart. Ein Gespräch über postfaktische Politik von Kaiser Konstantin bis zu Donald Trump und Recep Tayyip Erdogan.

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Philippe Buc spannt Bögen von der Antike bis in die aktuelle Gegenwart. Ein Gespräch über postfaktische Politik von Kaiser Konstantin bis zu Donald Trump und Recep Tayyip Erdogan.

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Was sagt der Historiker zur Diskussion um postfaktische Politik? Philippe Buc zieht Parallelen von der Antike über die Reformation bis zur Französischen Revolution und dem RAF-Terror der 1970er Jahre.

Die Furche: Postfaktisch, englisch: "post truth" - ist das mehr als ein Modewort?

Philippe Buc: Wir erleben zurzeit den Verlust der Legitimität in Bezug auf die Information. Eine vergleichbare "Allesist-möglich"-Situation war das 16. Jahrhundert mit seinen religiösen Kontroversen: Es gab alle möglichen Meinungen, und die eine Seite sagte: Wir trauen den Fakten der anderen Seite nicht. Natürlich war das keine Postmoderne, aber doch ein historischer Moment, wo es - verglichen mit dem, was die Menschen gewohnt waren -einen Überfluss an Information gab. Das waren Zeiten der Krise und der Polemiken. Es gab Unordnung, es fehlte die Autorität, die feststellte, was wahre Information, was Dogma war, und was nicht.

Die Furche: Und einen derartigen Autoritätsverlust orten Sie auch heute?

Buc: Ein aktuelles Problem etwa im Zusammenhang mit dem Islam ist, dass jeder im Internet Fatwas verbreiten kann, und es keine Autorität gibt, die bestimmt, was davon gilt. Natürlich sind religiöse Wahrheiten etwas anderes als wissenschaftliche Fakten, aber was geschieht, ist durchaus vergleichbar mit Vorgängen im 16. Jahrhundert. Auch in den ersten christlichen Jahrhunderten findet man Misstrauen in Bezug auf die Information. Hat eine Kultur ihr Gefühl für die Autorität verloren, dann haben die viel mehr Macht, die sagen: Ich besitze die Wahrheit. Das ist einer der Gründe für den Aufstieg der Dschihadisten im Westen und ihrer Cousins, der Rechtsextremen. Beide meinen, die Wahrheit zu besitzen, meist ist diese ist sehr simpel, schwarzweiß.

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