
Islamismusexperte Olivier Roy: "Für Fundamentalisten ist die Kultur heidnisch
Der Islamismusforscher Olivier Roy meint, aktueller islamischer Fundamentalismus wie etwa die salafistische Bewegung definiert sich durch seine völlige Abkoppelung von der Kultur.
Der Islamismusforscher Olivier Roy meint, aktueller islamischer Fundamentalismus wie etwa die salafistische Bewegung definiert sich durch seine völlige Abkoppelung von der Kultur.
Er gehört zu den weltweit führenden Islamismusforschern und Religionstheoretikern. In seinem Buch "Heilige Einfalt" warnt Olivier Roy vor den politischen Gefahren entwurzelter Religion. Die FURCHE traf Roy bei einem von der Forschungsplattform "Religion and Transformation" veranstalteten Fundamentalismus-Symposium an der Universität Wien. Das Gespräch fand noch vor den Pariser Anschlägen statt.
DIE FURCHE: Sie sagen, der islamische Fundamentalismus sei ein modernes Phänomen.
Olivier Roy: Im Islam gab es immer die Tendenz, zu den Fundamenten zurückzukehren. Dennoch ist die salafistische Bewegung etwas Modernes in dem Sinn, dass sie einerseits die bestehenden muslimischen Kulturen kritisiert, aber andererseits Merkmale aus dominanten Kulturen übernimmt: Der Salafismus hat kein Problem mit McDonald's - wenn die Hamburger nur halal, also nach den islamischen Speisegesetzen zubereitet sind. Das ist ein typisches Beispiel für die Trennung und Neuzusammensetzung von religiösen und kulturellen Merkmalen. Der Salafismus kümmert sich keinen Deut um die arabische Tradition oder Küche. Er sorgt sich nur um die religiöse Norm. Aber er kann diese an jeden kulturellen Kontext anpassen. Das ist etwas Neues. In der islamischen (wie auch in der christlichen) Tradition gibt es die Inkulturation: Als der Islam nach Indonesien kam, wurde er ein indonesischer Islam. Der Salafismus ist aber kein französischer oder amerikanischer Islam, sondern ein globaler. Das ist seine Modernität.
DIE FURCHE: Was unterscheidet religiöse Tradition von Fundamentalismus?
Roy: In einer religiösen Tradition ist die Religion in die Kultur eingebettet. Die Menschen können dann oft nicht zwischen Religion und Kultur unterscheiden. So ist die Art und Weise, wie die Familie gesehen wird, sowohl religiös wie traditionell bestimmt. Das gilt ja auch für einen Katholiken: Ist beispielsweise die Sonntagsruhe das Einhalten eines religiösen Gebots oder eine kulturelle Tradition?
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