
Avishai Margalit: "Das Zweitbeste ist oft besser"
Der israelische Philosoph Avishai Margalit über Religion und Politik sowie den Unterschied zwischen einer "zivilisierten" und einer "anständigen" Gesellschaft.
Der israelische Philosoph Avishai Margalit über Religion und Politik sowie den Unterschied zwischen einer "zivilisierten" und einer "anständigen" Gesellschaft.
Er gehört zu den führenden politischen Philosophen der Gegenwart. Mit seiner Theorie der "anständigen Gesellschaft" ("Politik der Würde", Suhrkamp 2012) hat Avishai Margalit das Konzept einer Gesellschaft entwickelt, deren Institutionen die Menschen nicht demütigen. Bevor Gutes geschaffen wird, muss Schlimmes verhindert werden, meint Margalit: Das sei im Gegensatz zum Ziel einer gerechten Gesellschaft auch realistischer und besser umsetzbar. Die FURCHE traf den israelischen Denker am Rande eines Vortrags beim Bruno Kreisky Forum für Internationalen Dialog.
DIE FURCHE: Welche Rolle spielt Religion in der Politik?
Avishai Margalit: Es war die einmalige Leistung des Protestantismus, aus religiösen Gründen den öffentlichen Raum freizumachen, dass also die Politik in den privaten Bereich des Einzelnen gehört und nicht die Aufgabe der religiösen Gemeinschaft ist. Alle anderen Religionen haben den Anspruch auf den öffentlichen Raum nie aufgegeben. Wenn sie ihn aufgegeben haben, dann nur aus taktischen Gründen, weil sie schwach waren. Solange das Judentum eine schwache Religion war (was ja im Vergleich mit den anderen Weltreligionen weiter der Fall ist), blieben Religion und Politik auf die eigene Gemeinschaft begrenzt. Aber der Islam, das Christentum -und da besonders der Katholizismus - sind definitiv überzeugt, dass der öffentliche Raum von ihnen geprägt sein sollte. In diesem Sinn hat die Religion niemals die Politik aufgegeben. Sie hat eine Vorstellung davon, was für die Gesellschaft gut ist.
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