"Keine Alternative zum Dialog"

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Seit Jahrzehnten zählt er zu den Protagonisten des christlich-islamischen Dialogs: adel-theodor khoury. Die furche sprach mit dem emeritierten Münsteraner Professor für Religionswissenschaft - und katholischen Priester - über die Herausforderungen dieses Dialogs, über Euro-Islam, "Multi-Kulti" und Kopftuch-Streit.

Die Furche: Verkünden Christentum und Islam denselben Gott?

Adel-Theodor Khoury: Folgt man "Lumen gentium", dem Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kirche, dann beten Christen und Muslime denselben Gott an. Für beide ist er der Schöpfer, der Richter, der Eine, der Barmherzige. Gravierende Unterschiede gibt es bei den Auffassungen von der Trinität und der Gottheit Jesu Christi. Die Erlösung durch Jesus Christus am Kreuz - das ist es, was das Christentum ausmacht.

Die Furche: Ist die Rede von den "abrahamitischen Weltreligionen" berechtigt?

Khoury: Ich brauche sie nicht, weil sie nicht sehr ergiebig ist. Abraham eint, aber er trennt auch. Wenn Theologen wie Hans Küng und Karl-Josef Kuschel so stark den Akzent auf die Gemeinsamkeiten der drei abrahamitischen Weltreligionen legen, dann wissen sie selbst, wovon sie reden. Viele Nicht-Fachleute meinen dann aber irrtümlich, die drei monotheistischen Religionen seien sich total einig. Jede solche Formulierung von Experten läuft Gefahr, die Unterschiede zu verdecken.

Die Furche: Wie sieht der Islam die Christen?

Khoury: Die zehn Gebote hat der Islam aus dem Alten Testament übernommen. In der Ethik und vielen Grundaussagen gibt es Einigkeit zwischen dem Islam und dem Christentum. Auf der anderen Seite wird den Christen vorgeworfen, dass sie nicht an den Propheten Mohammed glauben und Thora und Evangelium verfälscht haben. Juden und Christen werden vom Koran als "Leute des Buches" bezeichnet, die nicht wie die Ungläubigen, aber auch nicht wie die Gläubigen behandelt werden. Die Christen werden toleriert, wenn sie sich dem Islam unterwerfen. Das ist das Prinzip, das bis heute in islamischen Staaten gilt.

Die Furche: Ist der Islam eine gewalttätige Religion? Schon der Prophet Mohammed trat doch als Feldherr auf ... Und wie beurteilen Sie Samuel Huntingtons These vom "Kampf der Kulturen"?

Khoury: Die Gewalt im Islam ist begründet in der Tradition. Im Koran gibt es aber auch eine ausgeprägte Theorie des Friedens. Allerdings darf man sich nicht wundern, wenn Religion in einer solch krisenhaften Zeit, wie wir sie momentan auf der Welt erleben, zu den Mitteln der Gewalt greift. Dann treten die Terroristen so auf, als wenn sie den Islam für sich gepachtet hätten. Huntington hat seine These inzwischen teilweise zurückgenommen. Wenn man die Weltlage sieht, scheint es allerdings fast so, als würde seine Vorhersage sich bewahrheiten. Ich habe mich lange gegen diese These gewehrt, aber wenn die Lage sich weiter verschärft und Extremisten die Oberhand gewinnen, könnte es tatsächlich so weit kommen.

Die Furche: Die deutschen Bischöfe haben in einer Arbeitshilfe im Jahr 2001 betont, dass die Stellung der Frau im Islam, die Lehre vom Dschihad und der Umgang mit den Menschenrechten in islamischen Ländern nicht im Einklang mit christlichen Vorstellungen stehen ...

Khoury: Das ist alles richtig, die Skepsis angesichts der Probleme mit der Integration der Muslime in Deutschland ist angebracht. Dennoch gibt es keine Alternative zum Dialog. Generationen von christlichen Theologen fühlen sich diesem Dialog verpflichtet, und ich versichere Ihnen: Wir machen weiter. Wenn man eine Atmosphäre des Vertrauens schafft, dann ist das die Grundlage für einen ruhigen, sachlichen Dialog. Weil meine Bücher im muslimisch-arabischen Raum bekannt sind, kann ich mir auch kritische Fragen erlauben. Wenn man die Muslime auf die Anklagebank setzt, kann man keinen Dialog führen. Kritische Fragen wie den Konflikt zwischen den Menschen- und Gottesrechten oder die Ungleichbehandlung der Frau im Koran kann und muss man dagegen ansprechen.

Die Furche: Ist der bisherige Dialog zwischen Islam und Christentum nicht allzu einseitig verlaufen, sind von muslimischer Seite nicht meist Forderungen und Anklagen erhoben worden?

Khoury: Ich habe Diskussionen erlebt, in denen es aus dem Publikum hieß "Mit diesen Ungläubigen sprechen wir nicht". Dann ist jede weitere Debatte natürlich zwecklos. Tatsächlich wollen die Muslime oft ausschließlich positiv über den Islam reden, aber ohne Selbstkritik kann man nicht vorankommen.

Die Furche: Welche Chancen geben Sie einem Euro-Islam?

Khoury: Wer versucht das ernsthaft? Solche Ideen können nicht aus dem Kopf eines einzelnen kommen. Die Muslime müssen eine breitere Basis dafür haben. Ein Euro-Islam kann nur in der Anpassung islamischer Werte und Verhaltensregeln an Europa bestehen. Es darf kein Islam sein, der dem eigentlichen Islam fremd ist, aber die Muslime dürfen auch nicht einfach nach Europa transportieren, was sie in ihren angestammten Ländern erlebt haben. Dafür brauchen wir theologisch qualifizierte Leute, die die entsprechende Autorität, aber auch eine profunde Kenntnis der eigenen Tradition und der Lebensumstände der Menschen in Europa besitzen.

Die Furche: Nach dem Mord an dem Filmregisseur Theo van Gogh in den Niederlanden hat es eine heftige Diskussion darüber gegeben, ob die "Multi-Kulti-Gesellschaft" tot ist. Brauchen wir eine christliche Leitkultur?

Khoury: Mit "Multi-Kulti" kann man keine Gesellschaft bauen. Es müssen gemeinsame Standards da sein. Die entscheidende Frage ist, wie viele Unterschiede eine Gesellschaft verkraften kann. Ich würde nicht von "Leitkultur" sprechen, sondern von der Kultur der überwältigenden Mehrheit, und die ist in Deutschland nach wie vor christlich geprägt. Das Problem ist nur, wie man den Muslimen klar macht, dass Integration in die deutsche Kultur nicht Verlust ihrer Identität bedeutet. Es ist für Muslime möglich, hier zu leben und sich zu integrieren. Die Grundidentität muss nach islamischem Recht gewahrt bleiben. Schutz für Leben, Eigentum und Religionsfreiheit muss gewährleistet sein.

Die Furche: Wie beurteilen Sie die Diskussion über das Kopftuch von Lehrerinnen?

Khoury: Das Kopftuch ist an sich neutral. Wenn es allerdings als Zeichen der Provokation verstanden wird, dann entsteht ein neues Problem, das mit der Haltung der Trägerin zu tun hat und nicht mit dem Kopftuch als solchem. In so einem Fall darf der Staat intervenieren. Anders ist es bei der Ordenstracht der Nonne oder des Mönchs: Solche christlichen Zeichen empfindet die deutsche Gesellschaft nicht als Provokation.

Die Furche: Was können christliche Gemeinden denn heute ganz konkret für den Dialog mit dem Islam tun?

Khoury: Sie müssen vor allem und zuerst wissen, mit wem sie es zu tun haben, ob mit Extremisten oder mit Gemäßigten. Jeder Pfarrer sollte ein entsprechendes Buch besitzen, damit er Bescheid weiß. Dann sollen sie Kontakt zu den Menschen aufnehmen und die Muslime nicht überfordern, also sie zu Festen und besonderen Anlässen einladen. Die Gemeinde muss auf solche Begegnungen aber auch vorbereitet werden. Über die Muslime weiß man in unseren Gemeinden noch viel zu wenig, auch wenn unsere Pfarrer den Imamen theologisch haushoch überlegen sind. Deshalb ist es so wichtig, die richtige Atmosphäre zu schaffen, das friedliche Zusammenleben zu suchen. Mit dem gemeinsamen Gebet sollte man vorsichtig sein. Die selben Gebete kann man nur sprechen, wenn sie für beide annehmbar sind. Dennoch gibt es durchaus Gebete, die von beiden gesprochen werden können, erst recht in einer Atmosphäre des Vertrauens, in der christlich-islamische Dialoggruppen sich bewegen.

Das Gespräch führte Gerd Felder.

"... vielleicht sogar Freunde werden"

Dass seine Übersetzung des Korans ins Deutsche vom Islamischen Weltkongress autorisiert wurde, mag als Ausweis seiner Autorität in Fragen des christlich-islamischen Dialogs genügen. Erworben hat sich Adel-Theodor Khoury diese Autorität mit seinem unermüdlichen Eintreten in Wort und Schrift, in Forschung und Lehre für ebendieses interreligiöse Gespräch. 1930 im Libanon geboren und 1953 zum Priester geweiht, leitete Khoury von 1970 bis 1993 das Seminar für Religionswissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, eng verbunden war der Wissenschafter über viele Jahre auch der Theologischen Hochschule St. Gabriel in Mödling und deren Leiter Andreas Bsteh. Angesichts der fundamentalistischen Tendenzen im Islam, aber auch in anderen Religionen sagte er einmal: "Wir sollten es schaffen, füreinander da zu sein und vielleicht sogar Freunde zu werden."

Veranstaltungstipp: "Im Spiegel des Anderen"

Ein Gespräch zwischen Muslima und Christin mit Carla Amina Baghajati (Islam. Glaubensgemeinschaft)

und Elisabeth Dörler (Islambeauftragte

der Diözese Feldkirch) über das (Miss-)

Verständnis der jeweils anderen Religion

(Moderation: Otto Friedrich, die furche); danach Workshops, Plenum, Empfang.

Freitag, 16. Juni, 16 bis 21 Uhr

Afro-Asiatisches Institut, Katholische Hochschulgemeinde Graz

8010 Graz, Leechgasse 22 und 24.

Info: (0316) 322628-11

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