
Politisierter Islam II: Den Glauben neu denken
Was ist falsche Politisierung des Islam, und wo können und sollen Muslime Gesellschaft mitgestalten? Teil II der Analyse zum politischen Islam.
Was ist falsche Politisierung des Islam, und wo können und sollen Muslime Gesellschaft mitgestalten? Teil II der Analyse zum politischen Islam.
Die Debatte um den politischen Islam der letzten Wochen zeigt die Notwendigkeit, auf ein Missverständnis einzugehen, bevor im Anschluss daran über Wege aus dem politischen Islam reflektiert wird. Gerade die drei monotheistischen Religionen appellieren nicht nur an das Individuum, sich selbst zu läutern, im Sinne einer inneren Vervollkommnung seines Charakters, sondern wollen zugleich die Gesellschaft und die Weltgemeinschaft gerechter gestalten, damit alle Menschen sich respektvoll als Brüder und Schwestern im Menschsein begegnen, sich miteinander für das Wohl aller solidarisieren und dafür Verantwortung tragen, die Welt ständig zu verbessern. Daher ist nicht jede Form der politischen Partizipation bzw. des gesellschaftlichen Engagements von Muslimen, die religiös motiviert bzw. begründet ist, verwerflich und daher dem politischen Islam zuzurechnen. Zum Beispiel ist ein religiös motivierter Einsatz für mehr Umweltschutz, für mehr Frauenrechte, für mehr Solidarität mit Armen und Bedürftigen usw. sogar im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und leistet einen positiven Beitrag für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
Um welche Werte geht es?
Worauf es beim politischen Islam ankommt, ist nicht die angestrebte religiös begründete/motivierte Um-(bzw. Mit-)Gestaltung der Gesellschaft an sich, sondern sind die Werte- und Normenvorstellungen, nach denen diese Umgestaltung geschehen soll: Richten sich diese gegen den Rechtsstaat, stehen sie im Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, zur Pluralität unserer Gesellschaft, zur Freiheit des Individuums und somit seinem Recht auf Selbstbestimmung, zum Wohle des gesellschaftlichen Friedens und Zusammenhalts. Solche religiös begründeten/motivierten, abzulehnenden Bestrebungen werden mit dem Begriff des politischen Islam erfasst.
Und ob die jeweiligen religiösen Werte- und Normenvorstellungen im Einklang mit bzw. im Widerspruch zu der freiheitlich-demokratischen Ordnung stehen, hängt von der jeweiligen Interpretation des Islam ab. Es gibt zum Beispiel patriarchalische Auslegungen des Koran, die die Frau im Namen des Islam dem Mann unterwerfen wollen, und es gibt emanzipierte Auslegungen, die von der Gleichberechtigung von Mann und Frau sprechen. Daher ist eine pauschale Rede von den islamischen Werten problematisch und sogar irreführend.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!
