Professor für islamische Religionspädagogik am Centrum für Religiöse Studien und Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.
Mouhanad Khorchide hat ein Erzählbuch über den Islam verfasst. Der FURCHE-Kolumnist sucht in „Sieben verlorene Perlen“ auch nach einer anschlussfähigen Religion. Eine Vorstellung.
Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Österreich zeigen einen klaren Rechtsruck, was auch für das Zusammenleben der Muslime eine Herausforderung darstellt, da die Rhetorik rechtspopulistischer Parteien immer wieder islamfeindliche Tendenzen zeigt. Mir geht es an dieser Stelle nicht um die Hintergründe und Ursachen für diesen Rechtsruck. Mir geht es vielmehr um die Frage nach einem konstruktiven Umgang mit dieser neuen Realität. Dabei halte ich wenig von moralisierenden Aussagen wie „der Rassismus hat Hochkonjunktur“, „unser Land versinkt in Chaos“. Ich halte auch nichts davon, die
Regime, Geistliche und Eltern, die im Namen des Islams Frauen zu Objekten der Hörigkeit machenwollen, haben ein grundsätzliches Problem mit dem freien, selbstbestimmten Menschen, sagt Mouhanad Khorchide. Er plädiert für ein neues Verständnis des islamischen Gottesbildes.
Wenn ein Muslim stirbt, kondolieren Bekannte mit dem Bittgebet: „Möge Gott seiner Seele gnädig sein.“ Als vorige Woche die bekannte Journalistin Shireen Abu Akleh in Palästina getötet wurde, entflammte in der islamischen Welt eine Kontroverse, denn Abu Akleh war Christin. Dürfen Muslime um Gnade und Barmherzigkeit für eine verstorbene Nichtmuslimin bitten? Die in der islamischen Theologie dominierende Position liefert eine klare Antwort: „Nein! Denn im Himmel gibt es nur für Muslime Platz.“ Diese Ansicht vieler muslimischer Theologen steht jedoch im klaren Widerspruch zu
Wie jedes Jahr zu dieser Zeit wird in einigen islamischen Kreisen die Frage kontrovers diskutiert, ob Muslime Weihnachten feiern bzw. ob Christen ihnen zu Weihnachten gratulieren dürfen. Dabei geht es um den Status Jesu. Ist er lediglich ein Prophet wie jeder andere oder ist er der Sohn und somit die Offenbarung Gottes? Diese Frage hat sich im Laufe der Zeit wie kaum eine andere zu einer Identitätsfrage entwickelt. Der Koran selbst geht sehr entspannt damit um. Er stellt Jesus nicht nur als Überbringer einer Botschaft dar. Demnach sind Jesus selbst, sein Leben und sein Wirken zugleich
Die „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ hat vor einigen Monaten einen Bericht zur islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) veröffentlicht. Diese zählt zu einer der größten muslimischen Organisationen in Europa und ist umstritten, weil ihr Gründervater Erbakan für seine antisemitischen, antidemokratischen und antiwestlichen Positionen bekannt war. In Österreich zählen drei Föderationen zu Millî Görüş. Diese haben vorige Woche eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie allerdings die Nähe zu Millî Görüş bestreiten. Dort heißt es einerseits: „(…)
In wenigen Tagen beginnt die islamische Pilgerfahrt nach Mekka. Die großen Massen werden auch in diesem Jahr coronabedingt ausbleiben. Mekka galt nicht erst durch den Islam als religiöser Pilgerort, es war schon lange vor islamischer Zeit das Ziel vieler Pilger aus unterschiedlichen Regionen auf und außerhalb der Arabischen Halbinsel. Dennoch war Mekka nicht die einzige Wallfahrtsstätte, es gab auch andere Orte auf der Arabischen Halbinsel, die einen ähnlichen Bau wie die Ka’ba (der schwarze Würfel) besaßen, zu denen ebenfalls gepilgert wurde. Mekka ist daher kein spezifisch
Die Islam-Landkarte wurde bereits 2012 vom damaligen Staatssekretär Sebastian Kurz als Projekt der Universität Wien unter der Leitung von Professor Aslan präsentiert. Sie bekam viel Lob, sie diene der Sichtbarmachung des muslimischen Lebens in Österreich. Damit wollte man der Rhetorik versteckter Hinterhofmoscheen entgegnen. Moscheegemeinden, die nicht darauf erschienen, meldeten sich mit der Bitte um Aufnahme. 2018 beschwerte sich sogar eine Moscheegemeinde der Millî Görüş, dass sie nicht auf der Karte erwähnt wurde. 2019 gingen der Uni Wien die Mittel zum Weiterbetreiben der Karte
In FURCHE 3/2021 kritisierte Canan Yasar (Muslimische Jugend Österreich) die Regierungspolitik gegenüber Muslimen sowie die „Dokumentationsstelle Politischer Islam“. Der Leiter von deren wissenschaftlichem Beirat repliziert.
Der Koran spricht in der 5. Sure, Vers 10, davon, dass Jesus in der Lage war, Tote zu erwecken und Kranke zu heilen, denn Gott hat ihn mit der Kraft des Heiligen Geistes ausgestattet. Und in Sure 19, die sich ausführlich mit der Geburt Jesu auseinandersetzt, taucht der Name Gottes, des Barmherzigen, ganze zwölf Mal auf, so viel wie in keiner anderen Sure. Der Koran spricht somit vom heilvollen Eingreifen Gottes in die Welt durch Jesus, um seine Barmherzigkeit zu einer erfahrbaren Wirklichkeit zu machen. Der Advent als Erinnerung an Jesu Ankunft in der Welt ruft auch bei Muslimen in
Die Durchdringung von Religion und Politik in der muslimischen Welt beginnt bereits in der Frühphase des Islam. Teil I einer Analyse des FURCHE-Kolumnisten und Beraters der neuen Dokumentationsstelle Politischer Islam.
In Zeiten, in denen sich der Mensch durch Krankheiten bedroht fühlt, wird die Frage nach Gottes Allmacht, ja sogar nach seiner Existenz vermehrt gestellt: Wenn es einen liebenden und allmächtigen Gott in der Welt gibt, wieso verhindert dieser Gott das Übel nicht und wieso lässt er so viele Menschen leiden? Es geht also um eine alte Frage, die man als Rechtfertigung Gottes bzw. Rechtfertigung des Glaubens an Gott nennt (Theodizeefrage). Allerdings würde ein ständiges und unmittelbares Eingreifen Gottes in die Welt bedeuten, dass der Mensch nicht mehr die Freiheit besitzt, sich und sein
Das neue Regierungsprogramm plant, ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren an öffentlichen Schulen einzuführen. Ich bin zwar kein Fan von Verboten, doch finde ich die Reaktionen mancher Muslime auf dieses Vorhaben sehr irritierend. Denn das ganze Regierungsprogramm wurde von ihnen auf dieses Kopftuchverbot bei Kindern in den Schulen reduziert. Dass das Regierungsprogramm Steuerentlastungen gerade für Kleinverdiener beinhaltet (davon sind viele Migranten betroffen) oder wichtige Maßnahmen zum Umweltschutz wie Klimaneutralität in Österreich bis 2040 und dass bis 2030 der Strom
Vor Kurzem wurde eine neue Studie über junge Muslime in Wien veröffentlicht. Dazu wurden 700 Jugendliche mit afghanischem, syrischem, tschetschenischem, kurdischem, türkischem und bosnischem Migrationshintergrund sowie ohne Migrationshintergrund in Wien befragt. Eines der meist kommentierten Ergebnisse war das Verhältnis junger Muslime zur Demokratie. Dabei zeigt die Studie, wie sehr die Sozialisation und der kulturelle Hintergrund dieser Jugendlichen eine entschei- dende Rolle bei ihrer Einstellung spielen. Während die jungen Menschen mit afghanischem Migrationshintergrund der Demokratie
Als Kind wurde mir das rituelle Gebet so beigebracht, dass es an erster Stelle um die richtigen Bewegungen geht und um das, was man bei jeder Bewegung sagt: Beim Stehen muss zuerst diese und danach jene Sure rezitiert werden, dann folgen beim Verbeugen drei Mal Gotteslobpreisungen usw. Wenn mich damals jemand gefragt hätte: „Warum betet ein Muslim fünf Mal am Tag?“, wäre meine Antwort gewesen: „Weil das Gebet eine religiöse Pflicht ist. Gott hat uns befohlen, fünf Mal zu ihm zu beten.“ Es ging also um die Erfüllung einer Pflicht und um die richtigen Bewegungen, damit Gott das
Immer wieder sorgt der Kopftuch- bzw. Verhüllungszwang in Ländern wie dem Iran oder Saudi-Arabien für Frustration vor allem unter jungen Frauen, die das Gefühl haben, man raubt Ihnen durch solche Zwänge ihr Recht, selbst zu entscheiden was und wie sie sich anziehen wollen. Gerade im Iran kam und kommt es in letzter Zeit immer wieder zu Protestaktionen junger Frauen, die diese Restriktionen ablehnen. Denn gerade solche Zwänge treiben junge Frauen dazu, ihr Kopftuch erst Recht ablegen zu wollen und zwar als Zeichen des Protests. Auf der anderen Seite beobachten wir, wie die Rede von einem
Gerade ist das muslimische Opferfest zu Ende gegangen. Der Name des Festes geht auf die koranische Erzählung zurück, wonach Abraham im Traum den Befehl erhalten haben soll, seinen Sohn zu opfern. Der Koran selbst nennt übrigens den Sohn nicht. Dieser wird dann durch ein Opfertier ersetzt und so entstand die Tradition, wonach Muslime am Ende der Pilgerzeit zur Feier des Festes ein Tier opfern. Das Fleisch wird zum Teil im Familienkreis verspeist, zum Teil an Bekannte verschenkt und unter den Armen verteilt. Traditionell werden Schafe, aber auch Ziegen, Rinder, Kamele geschlachtet und
In wenigen Tagen beginnt für Muslime die Zeit der Pilgerfahrt, deren Zielort wie jedes Jahr Mekka ist. Neben der siebenmaligen Umrundung der Ka’ba (des großen schwarzen würfelförmige Gebäudes) und den sieben Malen Hin- und Hergehen zwischen den Hügeln Assafa und al-Marwa, existiert ein Ritual, das etwas irritierend klingen mag: Es handelt sich um die symbolische Steinigung des Teufels an den drei letzten Tagen der Pilgerfahrt in Form der Steinigung einer Betonsäule. Dies geschieht mit sieben kleinen Steinen täglich, insgesamt werfen die Pilger somit 21 Steine. Während manche diesen
Im Islam gibt es den Grundsatz: „Wenn ein Muslim zwischen zwei Optionen zu entscheiden hat, die ihm beide offenstehen, dann soll er stets diejenige nehmen, die leichter ist.“ Dies haben die Gelehrten aus dem Koranvers 185 der 2. Sure abgeleitet: „Gott will für euch das Leichte und nicht das Schwere.“ Interessanterweise spricht dieser Vers zugleich das Fastengebot an. Der Grundsatz der Erleichterung wurde somit im Zusammenhang mit dem Fasten im Ramadan verkündet. Nun befindet sich der Ramadan weiterhin in Monaten, in denen die Sonne in vielen europäischen Ländern sehr spät
Im Islam gibt es den Grundsatz: „Wenn ein Muslim zwischen zwei Optionen zu entscheiden hat, die ihm beide offenstehen, dann soll er stets diejenige nehmen, die leichter ist.“ Dies haben die Gelehrten aus dem Koranvers 185 der 2. Sure abgeleitet: „Gott will für euch das Leichte und nicht das Schwere.“ Interessanterweise spricht dieser Vers zugleich das Fastengebot an. Der Grundsatz der Erleichterung wurde somit im Zusammenhang mit dem Fasten im Ramadan verkündet. Nun befindet sich der Ramadan weiterhin in Monaten, in denen die Sonne in vielen europäischen Ländern sehr spät
Für Muslime ist der Koran die Offenbarung Gottes. Kann diese aber Menschenwort sein? Mouhanad Khorchide sagt: Ja. In seinem Korankommentar will er eine Brücke zwischen Tradition und Moderne bauen.
Junge Muslime sagen:'Unsere Heimat hinterfragt, ob wir dazu gehören; das verletzt uns.' Viele finden dann Zuflucht bei religiösen Identitäten:'Dann bin ich halt Muslim, das nimmt mir keiner weg.'
Über Burka-Verbote wird diskutiert, dabei geht es eigentlich um den Niqab und die Frage, ob Kopf und Gesicht einer Frau bedeckt sein dürfen. Dabei steht ein innerislamischer Diskurs über die grundsätzliche Haltung zum Stellenwert der Frau im Islam noch aus.
Der bekannte muslimische Gelehrte und Mystiker al-Gazali (gest. 1111) schreibt zum Stellenwert des Herzens folgendes: "Wenn wir von dem Herzen sprechen, so wisse, dass wir damit das wahre Wesen des Menschen meinen, seine Nahrung ist das Anschauen der göttlichen Schönheit." Der Prophet Mohammed sagt dazu: "Es gibt einen Teil in unserem Körper, dessen Gesundheit bedeutet, dass auch der Rest des Körpers gesund ist, und dessen Krankheit bedeutet, dass auch der Rest des Körpers krank ist. Es ist das Herz." Gemeint ist natürlich nicht das physische Herz. Das Herz symbolisiert vielmehr den
Für die einen ist es eine Provokation, für die anderen Ausdruck von Religionsfreiheit. Kein Stück Stoff hat in den letzten Jahren für mehr Diskussionen und Polarisierung gesorgt als das Kopftuch. Warum eigentlich? So genau weiß das niemand. Denn weder ist jede Kopftuchträgerin eine unterdrückte Frau, noch hat jede Kopftuchträgerin ein Problem mit demokratischen Grundwerten. Das Bild von kopftuchtragenden muslimischen Akademikerinnen irritiert sogar manche, weil es nicht in das stereotypische Schema passt, das Kopftuch stehe im Gegensatz zur Moderne, zur Bildung, zum starken
In den letzten Wochen fanden mehrere Diskussionen im österreichischen Fernsehen zum Thema Gewalt und Rekrutierung junger Muslime für den Dschihad statt. Über 150 junge Muslime aus Österreich seien inzwischen in Syrien und im Irak involviert. Eine schockierende Entwicklung, die veranlasst, ernsthaft darüber nachzudenken, was bei uns schief gelaufen ist und weiterhin schief läuft. Da hilft es nicht viel weiter, einfach auf die Anerkennung des Islam in Österreich zu verweisen.Bemerkenswert fand ich die Apologetik, in welche die muslimischen Vertreter verfallen sind. Mit Sätzen wie: "Der
Um die Vereinbarkeit islamischer Grundsätze mit dem Muslimsein in Europa zu beurteilen, ist eine theoretisch theologische Grundlagen dringend nötig.Obwohl der Islam in Deutschland als Glaubensgemeinschaft noch nicht anerkannt ist, plant der deutsche Staat an zwei bis drei Standorten des deutschen staatlichen Hochschulsystems den Aufbau von großen, autonomen Organisationseinheiten für Islamische Studien. An diesen soll sich die islamische Theologie neben der Islamwissenschaft etablieren.Diese Unterscheidung zwischen „Islamischer Theologie“ auf der einen Seite und „Islamwissenschaft“