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In Zeiten, in denen sich der Mensch durch Krankheiten bedroht fühlt, wird die Frage nach Gottes Allmacht, ja sogar nach seiner Existenz vermehrt gestellt: Wenn es einen liebenden und allmächtigen Gott in der Welt gibt, wieso verhindert dieser Gott das Übel nicht und wieso lässt er so viele Menschen leiden? Es geht also um eine alte Frage, die man als Rechtfertigung Gottes bzw. Rechtfertigung des Glaubens an Gott nennt (Theodizeefrage).

Allerdings würde ein ständiges und unmittelbares Eingreifen Gottes in die Welt bedeuten, dass der Mensch nicht mehr die Freiheit besitzt, sich und sein Leben selbst zu bestimmen. Diese Vorstellung würde den Menschen zur Marionette der Geschichte degradieren. Die Freiheit des Menschen bedeutet Gott offensichtlich so viel, dass er bereit ist, das Risiko einzugehen, dass der Mensch diese ihm von Gott verliehene Freiheit missbraucht und unverantwortlich handelt, mit der Konsequenz, dass sich Kriege und Krankheiten verbreiten. Freiheit bedeutet daher Verantwortung. Die Zukunft des Menschen, aber auch die der Natur hängt vom Grad des verantwortlichen Handelns des Menschen selbst ab.

Gerade Religionen wollen unsere Perspektive auf die Welt verändern: Statt auf sich selbst fokussiert zu sein, soll der Glaube an einen transzendenten Gott zur ständigen Überschreitung (transzendieren) des Selbst ermutigen, um sich und die Welt aus einer globaleren Sicht zu betrachten. Dann werden sich Dinge, die uns im Moment wichtig erscheinen, als unwesentlich entlarven, und Dinge, die wir bis jetzt vernachlässigt haben, erscheinen plötzlich als die wesentlichen im Leben (wie Empathie mit den Leidenden, Liebe, Familie, Freundschaft). Auch ein Coronavirus wird womöglich den einen oder anderen von uns dazu anhalten, die Frage neu zu überdenken: Worauf kommt es eigentlich im Leben an?

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster

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