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Wie heute von Gott reden?

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Reinhard Lettmann, der Bischof von Münster, hat vergangene Woche in Wien einen Vortrag gehalten zum Thema: „Im Einsatz Gottes für die Welt", eine Besinnung zum Europa der Zukunft. Kernaussage war, daß wieder mehr von Gott geredet werden müßte, denn eine gottlose Welt wäre heillos. Ich war beeindruckt, habe mir aber die Frage gestellt, wie man von Gott reden müßte, um Menschen heute „bewegen" zu können. Klingt das nach Anpassung? Wer immer sich seine Götter (Götzen) selber schafft, gleicht diesem Machwerk. Es müßte gelingen, von Gott zu reden, wie er sich selbst geoffenbart hat, nicht wie Philosophen ihn erdachten.

Er hat sich gezeigt als Gott des Lebens, nicht als einer, der erst nach dem Tod zu erwarten ist. Er erschafft immerfort Leben, gibt Lebensfreude und birgt das Schwache.

Gott hat sich seinem Volk vor allem als einer erwiesen, der in die Freiheit führt. Er ist der Gott des Auszugs aus jeder Knechtschaft und Fron. Und die Gebote gibt er dann, damit sein Volk sich selbst und anderen die Freiheit wahren kann.

Ein Gott, der liebt wie eine Mutter, wie ein Vater, wie Braut und Bräutigam. Der um Liebe wirbt und in aller Untreue der Menschen unbegreiflich treu bleibt.

Er fordert Gerechtigkeit von Mensch zu Mensch, von Volk zu

Volk und ist doch zu preisen als der Vater des Erbarmens.

In ihm ist Hoffnung. In seiner Verheißung weist Gott in eine Zukunft, die hinausläuft auf Vollendung, nicht auf Ende.

Er ist kein femer Gott, hoch über Sternen, sondern ein „Gott mit uns". Das hat er vielfach erwiesen, zuletzt durch seinen menschgewordenen Sohn.

Aber so schön und wahr das alles ist: Kann man Gott heute so verkünden? Wenn das alles nur in unseren Lehrbüchern und Gebeten bleibt, dann nicht. Es wird erst glaubwürdig, wenn die Kirche nicht nur von Gott predigt, sondern überzeugend mit und aus ihm lebt. Wenn sie daraus den Menschen eine wahre Hilfe für das Leben bietet. Wenn sie ihnen Mut macht, Freiheit zu ergreifen und in eigener Verantwortung zu gestalten. Wenn sie nicht nur andere zu Liebe und Barmherzigkeit ermahnt, sondern trostvoll in ihren eigenen Reihen viele diese erleben läßt. Wenn sie Hoffnung und Zuversicht für die so ungewisse Zukunft ausstrahlt. Wenn Christen Suchende spüren lassen: Gott ist mit uns!

Ein Europa ohne Gott ist in Gefahr, heillos zu werden. Der Glaube an Gott kann nicht durch Konventionen oder Gesetze garantiert, sondern nur durch das Zeugnis geweckt werden. Den christlichen Kirchen wird man nur jenes Gottesbild abnehmen, das sich in ihrem alltäglichen Tun widerspiegelt.

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