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Das große Geheimnis

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Pfarrer Blieweis sagt mit Recht zu Anfang seiner Untersuchungen „Seelsorge um die Eheschließung“ (in: „Seelsorge in der Pfarre“, S. 123 f.), daß „das große Wagnis und die ungeheure Verantwortung einer katholischen Eheschließung dem Brautpaar eindringlich und lebendig vor Augen gestellt werden“ müsse, und zwar — so fügen wir nun hinzu — in einer Sprache, die, jenseits aller lehrhaften Abstraktion, dem Seinszustand und der Art des modernen jungen Menschen und Christen von heute entspricht.

Wagnis und Glück, Verantwortung und Freiheit sind auch das große und einzige Thema einiger nun veröffentlichten Eheansprachen P. Couturiers OP. Und wenn man ihn, den großen Künstler und Priester, kennt, der wie keiner vor und neben ihm der modernen Kunst den Weg in die Kirche und in die Kirchen wies; wenn man ferner daneben die Namen der Paare liest, vor denen diese Ansprachen gehalten wurden, nämlich den Söhnen und Töchtern großer Künstler und Dichter, dann weiß man, daß dieser Mann vor diesen Menschen eine Sprache spricht, die dem modernen Menschen konform ist und zugleich in das innerste Geheimnis des Christentums weist.

Vier-Gedanken sind es, die in diesen Ansprachen immer wieder hervorgehoben werden.

1. Der unendliche Wert der Liebe. Sif ist für P. Couturier die unmittelbare und „persönliche Teilnahme“ an der göttlichen Liebe. „Jede andere Auffassung verstümmelt sie und würde schon auf Erden für die paar wechselvollen Jahre, die wir hier verleben müssen, ihre Fülle und ihre Dauer in der Zeit bedrohen“, heißt es auf Seite 17/18 und auf Seite 25, in einer weiteren Stelle unter vielen anderen: „Weil der Vater und der Sohn sich mit ewiger Liebe lieben, liebt ihr eush, und ein Stück dieser unendlichen Liebe schenkt euch in euren Herzen einander für die Tage dieses irdischen Lebens und für die ganze Ewigkeit.“

2. Das große Wagnis der Ehe, und zwar in der besonderen Form, daß „man das ganze Leben, alle Aussichten, alle Möglichkeiten auf das Versprechen eines einzigen Menschen hin verpfändet, dessen Zukunft man gar nicht voraussagen kann“. Denn so ist es fdoch: „Zwei junge Menschen, unbeständig, vor sic| das ganze Unbekannte ihres Lebens, ihres eigenen Herzens, nehmen einfach an, daß von vornherein alles zurückgewiesen und geopfert werde, was nicht zur Unversehrtheit und Reinheit ihrer Liebe gehört“ (S. 55).

3. Damit verbunden, die erschreckende Verantwortung der Ehe, in der einer für den anderen, für sein Glück und sogar für seine ewige Seligkeit eintritt. „Ihr schenkt euch eines dem andern — und ihr wißt gar nicht, was ihr damit schenkt ... Indem ihr euch unwiderruflich einer dem anderen schenkt, weiß doch keiner von euch, wen ihr schenkt“, und zwar um so weniger, als gerade in der Liebe auch einer den anderen verändert und jeder sich in sich selbst verändert, so daß dieselbe Forderung und Verantwortung immer wieder neu und immer von neuem schwer wird.

4. Die großartige Freiheit, die in der Liebe herrscht und sie wählt, die Freiheit, die unsere Würde ist, die Freiheit aber auch, die unsere Unabhängigkeit bestimmt und darum zugleich jene Grenzen, die keiner im anderen erreichen, geschweige denn überschreiten kann. „Nichts auf dieser Welt wird den Wert eurer Liebe übersteigen; aber ... täuscht euch nicht: gerade der Sinn und die Forderung eurer Liebe müssen den einen im anderen an diese äußerste Grenze führen, wo für jeden Menschen die Freiheit einer grenzenlosen Befreiung beginnen kann“ (S. 16 f.). Allerdings muß diese Freiheit auf die Vollendung zielen, und so dürfen wir nicht vergessen, daß sie von Kaivaria und seinem Opfer, dem Opfer der reinsten Verschwendung, „ihren vollen Sinn, ihren tiefsten Sinn, ihren endgültigen Sinn“ erhält.

Was diese Ansprachen darüber hinaus charakterisiert, ist der Nachdruck, mit der in ihnen der „absolute Wert der menschlichen Seele“ betont wird. Ein absoluter Wert, das bedeutet: Was auch geschehen möge, was man tun und was aus einem werden möge, diese Seele und diese Existenz haben noch ein absolutes Recht darauf, daß eine andere Seele und eine andere Existenz ihnen auf Erden für immer geweiht und geopfert bleibt ... komme, was da wolle“ (S. 79 f.).

Das Buch hat erfreulicherweise in kurzer Zeit bereits eine zweite Auflage erlebt, und wir möchten e9 vor allem den jungen Braut- und Ehepaaren ans Herz legen. Denn es glaubt an einen Idealismus der Jugend, der weder Angst vor der Verantwortung noch vor der Freiheit hat. und wir sind überzeugt, daß diese Jugend hier dankbar und befreit hören und aufnehmen wird, was ihnen bisher und in der bisherigen Form allzu oft nur Qual war. Wir glauben, daß diese Leser um so dankbarer und befreiter sein werden, als die so oft erfahrene Diskrepanz zwischen der christlichen Verkündigung und unserer Welt hier von oben her aufgehoben ist, aber eben in einer Sprache, die ebenso lebendig wie persönlich ist und daher lebendig und persönlich anspricht. Eine ähnliche Sprache wie in dem berühmten Gebetbuch von Michel Quolst: „HerrV & bin ich“:

„Lieben heißt, sich begegnen, und um der Begegnung willen muß man willens sein, von sich selber fortzugehen, um einem anderen entgegenzugehen.

Lieben heißt, sich vereinigen, und um der Vereinigung willen muß man sich für einen anderen vergessen, muß man sich selber ganz und gar absterben für einen andern.

Lieben, mußt du wissen, mein Kind, das tut weh,

Denn seit der Sünde — hör gut zu — heißt lieben: sich kreuzigen für einen andern.“

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