Der bekannte muslimische Gelehrte und Mystiker al-Gazali (gest. 1111) schreibt zum Stellenwert des Herzens folgendes: "Wenn wir von dem Herzen sprechen, so wisse, dass wir damit das wahre Wesen des Menschen meinen, seine Nahrung ist das Anschauen der göttlichen Schönheit." Der Prophet Mohammed sagt dazu: "Es gibt einen Teil in unserem Körper, dessen Gesundheit bedeutet, dass auch der Rest des Körpers gesund ist, und dessen Krankheit bedeutet, dass auch der Rest des Körpers krank ist. Es ist das Herz." Gemeint ist natürlich nicht das physische Herz. Das Herz symbolisiert vielmehr den wahren inneren Kern des Menschen. Es gilt als Ort der Seele, der Gefühle und des Bewusstseins, aber vor allem als Ort der Begegnung mit Gott und der Kommunikation mit ihm. Daher sagt der Koran: "Es sind nicht die Augen, die erblinden, sondern die Herzen."(22:46)
Rumi, der große persische Mystiker des 13. Jahrhunderts lässt Gott sagen: "Ich bin weder in der Erde enthalten noch im Himmel, selbst nicht im höchsten der Himmel. Wisse dies sicher: Im Herzen des Menschen bin ich. Wenn du mich suchst, dort wirst du mich finden."
Das Fasten im Monat Ramadan sollte ein Prozess der Einkehr sein. Beim islamischen Gebot des Fastens geht es Gott keineswegs nur darum, dass der Mensch lediglich von Sonnenaufgang bis -untergang einfach nichts isst, trinkt und sich des Geschlechtsverkehrs enthält. Vielmehr soll sich dem Menschen durch diese Enthaltung die Möglichkeit eröffnen, sich mit seinem Inneren auseinanderzusetzen sowie seine Beziehung zu Gott, zu dessen Schöpfung und zu sich selbst kritisch zu reflektieren. Ziel des Fastens ist also nicht die Distanzierung von den körperlichen Bedürfnissen; das ist lediglich der erste Schritt auf dem Weg zum eigentlichen Fasten des Herzens, das beim Fasten auf der Suche nach dem Göttlichen im Menschen geht, um es hervorzuheben.
Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!
