Zu Pfingsten wird im Christentum die Entsendung des Heiligen Geistes gefeiert. Das Fest wird 49 Tage nach dem Ostersonntag begangen. Unabhängig von der Diskussion um die Trinität und die im Christentum gedachte Relationalität in Gott geht der Islam von der Vorstellung eines dem Menschen eingehauchten göttlichen Geistes aus: "Ich habe dem Menschen von meinem Geist eingehaucht"(Koran 15:29). Es ist also etwas Göttliches im Menschen, das ihm erlaubt, nach dem Göttlichen zu suchen, es wahrzunehmen und das eigene Leben auf Gott hin auszurichten. Dieses Göttliche im Menschen begründet zugleich eine tiefe Sehnsucht des Menschen nach der Ewigkeit, nach dem Absoluten, nach Gott.
Nach der islamischen Vorstellung inspiriert Gott dem Menschen immer und immer wieder von Neuem Angebote, die ihn und sein Leben bereichern sollen. Der Mensch kann sich dann in Freiheit zu diesen Angeboten verhalten. Auch wenn der Mensch diese Angebote ablehnt, hört Gott auf keinen Fall auf, weitere Angebote zu machen, sodass Gott trotz der Zurückweisung immer wieder das nächstbeste mögliche Angebot inspiriert. Der Koran macht auf dieses Phänomen der göttlichen Inspiration anhand vieler Erzählungen aufmerksam. Zum Beispiel wurde der Mutter von Moses, um ihren Neugeborenen vor dem sicheren Tod zu bewahren, inspiriert: "Setze ihn im Meer aus und hab keine Angst um sein Leben und sei nicht traurig! Wir werden ihn dir zurückbringen."(Koran 28:7) Diese Eingebungen sind Ausdruck der bedingungslosen Zuwendung Gottes gegenüber dem Menschen. Sie sind nicht auf Gläubige beschränkt, denn Gott schaut dem Leben, auch dem Elend, eines jeden Einzelnen nicht tatenlos zu. Es ist aber der Mensch, der sich meist selbst im Wege steht und der es immer wieder versäumt, diesen göttlichen Geist in sich zu registrieren und die göttlichen Angebote in Anspruch zu nehmen.
Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster
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