6978434-1986_02_13.jpg
Digital In Arbeit

Bilderverbot

Werbung
Werbung
Werbung

Das erste Gebot hat einen zweiten Teil, der in der christlichen Formulierung der Zehn Gebote meist nicht aufscheint: „JDu sollst dir kein Gottesbild machen!" Der jüdische Glaube ist ähnlich wie der Islam bilderlos. Gott darf nicht in einem Bild dargestellt werden.

Was ist der ursprüngliche Sinn dieses Gebotes? Es geht vor allem um zwei Dinge.

Erstens: Gott ist der ganz andere. Nichts in dieser Welt, weder Himmelskörper, noch Tiere, noch Menschen können Bild sein für Gott. Durch das Bilderverbot wird der unüberbrückbare Unterschied zwischen Gott dem Schöpfer und seinen Geschöpfen betont. Gott darf nicht vertauscht werden mit den Geschöpfen.

Zweitens: Der Mensch soll nicht in Versuchung geraten, über Gott dadurch verfügen zu wollen, daß er sich von ihm ein Bild macht. Gott soll nicht in die Hände des Menschen kommen und von ihm manipuliert werden.

Die Christen haben das Bilderverbot im wörtlichen Sinn nicht aufrechterhalten. Sie stellen Gott auch in Bildern dar. Jesus Christus ist das Bild des unsichtbaren Gottes. Trotzdem ist das ursprüngliche Anliegen des Bilderverbotes auch für den Christen aktuell.

Der Mensch ist immer wieder versucht, sich Gott vorzustellen nach seinem Bild und Gleichnis und sich von Gott ein Bild zu entwerfen, daß seinen Interessen und Bedürfnissen entspricht. Er wird dargestellt als der strafende Gott, um mit seiner Hilfe die Mitmenschen im Zaum zu halten, oder als der harmlose Opa, um der Verantwortung zu entgehen, die jedem auferlegt ist. Falsche Gottesbilder können für die psychische Entwicklung eines Menschen verheerende Wirkungen haben; sie können auch den Zugang zum Glauben an Gott erschweren.

Gott ist auch nicht in Begriffen zu fassen. „Alles was wir über Gott sagen können, ist nur ein Stammeln. Wir können höchstens Aspekte' aufzeigen, die Richtung angeben. Denn er ist der JDeus Semper maior', der stets größere Gott, bei dem man nie an ein Ende gelangt und bei dem man, je weiter man in der Gotteserkenntnis vordringt, um so mehr mit Überraschungen und neuen, erschütternden Einsichten rechnen muß, die den Horizont sprengen" (Adolf Exe-ler).

Das Bilderverbot ist nicht leicht zu befolgen. Es widerspricht dem Grundbedürfnis des Menschen, alles, was ihm wichtig ist, auch zu sehen, zu greifen und zu begreifen. Gott aber bleibt — auch trotz der Offenbarung — der Unsichtbare und Unbegreifliche; in seinem Sein wie in seinen Fügungen.

Sechster Teil einer Serie über die Lebensrelevanz der Zehn Gebote.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung