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Weder Hymnus noch Provokation

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GOTT HEUTE. 15 Beiträge zur Gottesfrage. Herausgegeben von Norbert Kutschki. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz, und Chr.-Kaiser-Verlag, München, 1967. 186 Seiten» kart.

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GOTT HEUTE. 15 Beiträge zur Gottesfrage. Herausgegeben von Norbert Kutschki. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz, und Chr.-Kaiser-Verlag, München, 1967. 186 Seiten» kart.

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Gott ist heute, zumindest in der Öffentlichkeit der westlichen Welt, ebensowenig Adressat glühender Hymnen wie Anlaß zur Provokation. Der Durchschnittsmensch der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich trotz aller Bedrohtheit angesichts ernster weltpolitischer Spannungen auf dieser Erde behaglichwohnlich eingerichtet. Vordergründig betrachtet, bedarf er Gottes nicht mehr. Der moderne Wohlstand sichert ihm in der „Welt ohne Gott“ ein sorgenfreies, gesichertes Leben. Daß indes diese nüchterne Interesselosigkeit an der Gottesfrage nur in erster Näherung gilt und damit eine scheinbare ist, das beweist das starke Echo, das eine Sendereihe des Hessischen Rundfunks über das Thema „Gott heute“ ausgelöst hat. Journalisten, Philosophen und Theologen katholischen, protestantischen und jüdischen Bekenntnisses hatten sich zu einem Symposion zusammengefunden, um wissenschaftlich-objektiv oder bekenntnishaft-persönlich eine Antwort auf die uralte Menschheitsfrage, wer oder was Gott ist, zu versuchen. Die Spannweite und Aktualität der Thematik lassen in etwa die Titel einiger Beiträge erahnen: Der Gott der Philosophen (J. Hirschberger), Welt ohne Gott oder Welt in Gott (H. J. Türk). Der jenseitige Gott (H. Bolewski), Der unbekannte Gott (Sch. Ben-Chorin), Gott in der Geschichte (W. Kaspar), Der trinita- rische Gott (W. Dirks), Gott — unsere Zukunft (L. Boros), Zerrbilder von Gott (A. Gunneweg), Mein Gott (Wilma Sturm). Mögen die einzelnen Autoren bald mehr philosophisch oder mehr biblisch argumentieren, bald ihren Blick mehr auf das Alte oder Neue Testament richten, dann wieder sich vor allem mit naturwissenschaftlichen Argumenten auseinandersetzen oder sich auf andere Weltreligionen beziehen, allen gemeinsam ist jedoch das ehrliche Bemühen, aus kritischer Reflexion auf die Gegenwart zu einer geläuterten Gottes Vorstellung zu gelangen: Ein Gott soll transparent werden, der nicht ein Lückenbüßer für zur Zeit noch Unbekanntes ist und der auch keine falsche Harmonie vorzaubert, wo aggressive Unruhe sich auszubreiten droht, ein Gott, dem man seinen Geheimcharakter nicht wegdisputiert hat; ein Gott jedoch, dem gegenüber man die „Positivität des Nicht-Wissens“ offenzuhalten versucht. Das große Interesse an einer Revision überholter Auffassungen in der Theologie und Glaubenspraxis beweist vielmehr, daß die Gottesfrage viele Menschen, sicher mehr als man so gemeinhin anniimmt, an- sprdcht. Vielleicht mag das, was Wilma Sturm über ihre Gottesbegegnung aussagt, sehr vielen Menschen unserer Zeit aus dem Herzen gesprochen sein: „ ... und so finde ich Gott nur, wenn ich bei und mit und für die anderen, seine Geschöpfe, bin — im Mitsein, Mittun, Mitgehen, Mitleiden, Mitteilen. Sünde ist am meisten und am schlimmsten dort, wo ich mich entziehe, nicht mitbin, mitgehe, mitleide, mitteile. Wo ich auf mir, meiner Bequemlichkeit und Trägheit verharre... Ich glaube, daß er in der Stunde meines Todes dasein und mich bei sich sein lassen wird, mich und mein Leben, unverwechselbar mein Leben bis auf die Faltung meiner Ohrmuscheln und die Rundung meiner Fingerspitzen. Ich glaube das — gleichzeitig zittere ich davor, daß mir nichts bleiben könnte als Sarg und Grab und Verwesung. Aber ich zittere nur im Dunkeln, nachts, wenn ich nicht schlafen kann, bei Tag bin ich getrost und freue mich, daß ich da bin, daß ich bin inmitten von allem, was ist“

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