Selbstkritik dringend benötigt

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In den letzten Wochen fanden mehrere Diskussionen im österreichischen Fernsehen zum Thema Gewalt und Rekrutierung junger Muslime für den Dschihad statt. Über 150 junge Muslime aus Österreich seien inzwischen in Syrien und im Irak involviert. Eine schockierende Entwicklung, die veranlasst, ernsthaft darüber nachzudenken, was bei uns schief gelaufen ist und weiterhin schief läuft. Da hilft es nicht viel weiter, einfach auf die Anerkennung des Islam in Österreich zu verweisen.

Bemerkenswert fand ich die Apologetik, in welche die muslimischen Vertreter verfallen sind. Mit Sätzen wie: "Der Islam kennt keine Gewalt" oder "Wir Muslime sind nur Opfer" wollen die muslimischen Diskussionspartner die Flucht ergreifen und den Zuschauern vermitteln, bei uns sei alles perfekt. Gewaltphänomene seien lediglich soziale Probleme. Es ist keine Frage, dass Menschen, die zu den sozialen Verlierern unserer Gesellschaft gehören, eher anfällig für die Rekrutierung in Gewaltmilieus sind. Dennoch bleibt die Frage offen, warum diese im Islam eine geeignete Plattform für die Entfaltung ihrer Aggressionen finden? Eine muslimische Vertreterin meinte zum Thema Dschihad in einer Talkshow: "Wir unterrichten unsere Schüler, dass Dschihad nur zur Schule gehen, bedeutet." Tun wir dies wirklich? Und wenn ja, ist das der gesunde Umgang mit dem Thema? Sollte das Thema Dschihad nicht in allen seinen Dimensionen behandelt werden, um bestimmte Verständnisse, die mit Gewalt zu tun haben, in ihrem historischen Kontext zu verorten? Ist es nicht zielführender, statt in Apologetik zu verfallen und bloß Schuld von sich zu weisen, dass wir Muslime beginnen, Selbstkritik zu üben und menschenfeindliche Positionen innerhalb der islamischen Theologie zu verwerfen? Selbstkritik braucht ein starkes Selbstbewusstsein, und genau an diesem scheint es noch zu mangeln.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster

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