Ist Fasten noch in?

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Eine Glaubensfrage zu Disziplin, Hoffnung und Gewissheit.

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Eine Glaubensfrage zu Disziplin, Hoffnung und Gewissheit.

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Vor wenigen Tagen haderte ein Freund mit mir, warum ich faste. Fasten sei eine veraltete Tradition, die wir zeitgemäß interpretieren müssten. Heute wäre es eher angesagt, zumindest temporär auf die Nutzung elektronischer Medien zu verzichten. Ein Verzicht auf Essen und Trinken von Beginn der Morgendämmerung an bis zur Abenddämmerung mache heute keinen Sinn mehr.

Keine Frage, es macht sicher viel Sinn, sich gerade während des Ramadan vorzunehmen, den Konsum von sozialen Medien zu reduzieren, aber ich sehe dennoch im traditionellen islamischen Fasten eine Quelle für Kraft und Disziplin. Dieses Fasten ist eine große Herausforderung und daher auch mit Leiden verbunden. Gott hat nichts davon, wenn Menschen leiden. Dennoch ist Leiden stark mit Demut, Bescheidenheit, Geduld, aber auch Hoffnung und Willenskraft verbunden. Leiden erinnert an die Vergänglichkeit des Lebens, aber zugleich an die Schöpferkraft in uns, mit der man das eigene Leben in die Hand nehmen und verändern kann.

Leiden darf aber nicht pauschal als Weg zum Heil glorifiziert werden. Das Aufwerten vom Leiden hilft vor allem Betroffenen, die in der Rede vom Leid als Weg zu Gottesnähe etwas Trost finden könnten. Die Gerechtigkeit Gottes wird dafür sorgen, so der muslimische Glaube, dass uns jede Form des Leidens wiedergutgemacht wird, spätestens im Jenseits, am Tage des Gerichts.

Dieser Glaube erleichtert Menschen in schwierigen Situationen, diese erst einmal zu akzeptieren, aber auch, darauf zu hoffen, dass es irgendwo irgendwann einen Ausweg geben wird. Dass man, während man fastet, die Gewissheit hat, bald kommt der Sonnenuntergang, bald darf ich wieder essen und trinken, dieser tröstende Gedanke ist es, der es ermöglicht, dass Fastende verborgene Kräfte in sich zur Entfaltung bringen, denn Hoffnung spendet Überlebenskraft.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster.

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