Das (noch) ausbleibende Signal
Religionsführer sollten ein gemeinsames Signal aus Jerusalem senden.
Religionsführer sollten ein gemeinsames Signal aus Jerusalem senden.
Moses, Jesus und Mohammed, die drei Stifter der drei monotheistischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam, haben einen starken Bezug zum Heiligen Land. Aber ausgerechnet dort kämpfen religiöse Fanatiker gegeneinander, und dies im Namen Gottes.
Der bekannte Abt der Dormitio-Abtei in Jerusalem, Pater Nikodemus Schnabel, wurde Anfang dieser Woche von zwei jungen Männern mit Kippa bespuckt und aggressiv beschimpft. Pater Nikodemus sprach daraufhin von einem oft verdrängten Problem, das er „Christenhass von jüdischer Seite“ nannte. Er unterstrich gleichzeitig, dass es sich dabei um eine kleine radikalisierte Minderheit handelt.
Als ich im Jahr 2012 zum ersten Mal in Jerusalem war, war ich tief enttäuscht, weil ich erwartet hatte, dass gerade dort die Anhänger der Religionen gegenseitige Solidarität und Geschwisterlichkeit demonstrieren würden. Stattdessen sah ich die Gräben, die zwischen und auch innerhalb der drei Religionen verlaufen und das geistige Klima der Stadt vergiften. Allein in der Grabeskirche streiten Christen verschiedener Konfessionen darum, welcher Teil der Kirche ihnen gehört. Bald hatte ich den Eindruck, hier kann keiner mit keinem. Was würden Moses, Jesus und Mohammed wohl dazu sagen? Ihre Anhänger sind sich ja darüber einig, dass diese Stifter des Friedens waren. Aber wenn der Frieden ausgerechnet im Heiligen Land ausbleibt, wo sonst sollen Religionen einen Beitrag für den Frieden in dieser Welt leisten?!
Ich wünsche mir sehr, dass sich zeitnah der Papst, der Großimam der Azhar-Moschee und ein repräsentativer Rabbi in Jerusalem treffen, um gemeinsam ein unmissverständliches Signal für den Frieden nicht nur im Heiligen Land, sondern in der ganzen Welt zu senden. Wenn ein solches Signal nicht von Jerusalem ausstrahlt, von wo sonst?
Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster.
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