Paul Vi., Jerusalem 1964 - © IMAGO / United Archives International

Papst Paul VI. im Heiligen Land: Friedensbote, auch damals ungehört

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Vor 60 Jahren brach Paul VI. zur Pilgerfahrt ins Heilige Land auf. Die Aussöhnung der katholischen Kirche mit dem Judentum, die Annäherung zwischen Ost- und Westkirche wären niemals so weit gekommen, wenn der Papst 1964 mit dieser Reise nicht große Zeichen gesetzt hätte.

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Vor 60 Jahren brach Paul VI. zur Pilgerfahrt ins Heilige Land auf. Die Aussöhnung der katholischen Kirche mit dem Judentum, die Annäherung zwischen Ost- und Westkirche wären niemals so weit gekommen, wenn der Papst 1964 mit dieser Reise nicht große Zeichen gesetzt hätte.

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Gerade einmal ein halbes Jahr war der neue Papst Paul VI. im Amt, als er den Konzilsvätern in der Abschlusssitzung der zweiten Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils am 4. Dezember 1963 am Ende seiner Schlussansprache eine unerwartete Ankündigung machte, die nicht im gedruckten Redetext enthalten war: „Wir sind so überzeugt, dass für einen guten Ausgang des Konzils fromme Bitten erhoben und Werke vermehrt werden müssen, dass wir nach reiflicher Überlegung und vielen an Gott gerichteten Gebeten beschlossen haben, als Pilger in jenes Land zu gehen, das die Heimat unseres Herrn Jesus Christus ist. Es ist daher unsere Absicht, im kommenden Monat Januar mit Gottes Hilfe nach Palästina zu gehen, wo Christus geboren wurde, lebte, starb und von den Toten zum Himmel aufstieg, mit der Absicht, die Hauptgeheimnisse unserer Erlösung, nämlich die Menschwerdung und die Erlösung, persönlich in Erinnerung zu rufen.“

Die völlig überraschten Konzilsväter antworteten mit schallendem Beifall. Auch die Medien feierten die Entscheidung des Papstes. Die Reise war zwar bereits seit längerem geheim in Planung, jedoch war offenbar zuvor nichts nach außen gedrungen. Der Entschluss des Papstes dürfte auf das Erlebnis des Konzils zurückzuführen sein, auf dem die Kirche in ihrer Größe und Vielfalt sichtbar wurde. „Es soll eine Rückkehr zur Wiege des Christentums sein, wo das Senfkorn des evangelischen Gleichnisses zum ersten Mal Wurzeln schlug und sich wie ein Laubbaum ausbreitete, der nun die ganze Welt mit seinem Schatten bedeckt; ein betender Besuch an den Orten, die durch das Leben, Leiden und die Auferstehung unseres Herrn geheiligt wurden“, erklärte Paul VI. am Tag seiner Abreise am 4. Jänner 1964 vom Flughafen Fiumincino, wohin sogar der italienische Präsident angereist war.

Seit 150 Jahren: Erster Papst ins Ausland

Die Überraschung über die Reise war groß, war sie doch gleich mehrfach ein Novum: Zuletzt hatte mit Papst Pius VII. (1742–1823) 150 Jahre zuvor ein Papst italienischen Boden verlassen – und dies nicht einmal freiwillig, zumal er für zwei Jahre von Napoleon in Frankreich interniert gewesen war. Die politischen Wirren des 19. Jahrhunderts bestärkten die Päpste daraufhin zusätzlich in ihrer örtlichen Zurückgezogenheit. Seither vermieden es die Oberhäupter der katholischen Kirche, die sich selbst als „Gefangene im Vatikan“ betrachteten, durch Reisen die Stabilität des Apostolischen Stuhles zu gefährden. Dass die erste Auslandsreise eines Papstes nach so langer Zeit ausgerechnet in den Nahen Osten ging, verblüffte zusätzlich, immerhin galt die Region Palästina damals – wie auch heute – als Pulverfass. Von der Symbolik her gesehen war die Reise an den Ursprung der christlichen Region jedenfalls bahnbrechend. Seit Petrus fast zwei Jahrtausende zuvor von Jerusalem aus seinen Gang nach Rom angetreten hatte, war kein Nachfolger des Apostels je an die Orte des biblischen Geschehens gereist.

Bei der Landung am 4. Jänner 1964 in Amman wurde er vom jordanischen König Hussein I., unter dessen Regierung damals auch noch die Stadt Jerusalem stand, mit Salutschüssen willkommen geheißen. Der Papst betonte gegenüber dem Herrscher, seine Reise sei ein „demütiger Pilgerweg zu den heiligen Orten, die durch die Geburt, das Leben, das Leiden und Sterben Jesu Christi und durch seine glorreiche Auferstehung und Himmelfahrt geheiligt wurden“ und fand anerkennende Worte für die Friedensbemühungen des Königs. Dass die Motive des Papstes völlig unpolitischer Natur waren, bezweifelten viele der in der Region lebenden Araber. Ihre Sorge war, dass eine – schon vom Konzil in Aussicht gestellte – jüdisch-christliche Aussöhnung einen politischen Vorteil für den Staat Israel bedeuten könnte. Der jordanische Rundfunk nutzte daher die Berichterstattung über den Papstbesuch immer wieder für antijüdische Seitenhiebe wie: „Vor 2000 Jahren haben die Juden Christus gekreuzigt und vor 15 Jahren haben sie die Bevölkerung Palästinas angegriffen […] Wahrlich, von allen Religionen der Welt sind es die Juden, die die Feinde Gottes sind. Ihre Verbrechen sollen den Juden nie vergeben werden.“

Damals noch Jordanien ...

Gleich nach der Begrüßungszeremonie in Amman setzte sich die Kolonne rund um das Papstauto in Bewegung Richtung Jerusalem. Nach einem kurzen Zwischenstopp am Jordan – an der Stelle, an der Jesus der Überlieferung nach von Johannes dem Täufer getauft wurde – erreichte Paul VI. Jerusalem, wo er von den örtlichen Behörden sowie den Bewohnern der Stadt am Damaskustor empfangen wurde. Auf dem Tor thronte ein Maschinengewehr, die ganze Altstadt glich einer Hochsicherheitszone. Dennoch brach die Menschenmasse durch die Absperrungen und verhinderte den geordneten Pilgerzug durch Jerusalem. Die Sicherheitskräfte konnten den Papst, der schon bald von seinen Begleitern getrennt war, nur mühselig durch die Menge schleusen. Dieser versuchte trotzdem, seine Gebete an den Kreuzwegstationen der Via Dolorosa zu verrichten.

Als Paul VI. die Grabeskirche erreicht hatte, begann er mit der Zelebration der Messe in dem maßlos überfüllten Gotteshaus. Dabei fiel aufgrund eines Kurzschlusses der Strom aus, eine Massenpanik drohte auszubrechen. Der Papst ließ sich allerdings nicht davon beirren und feierte bei Kerzenschein die Messe weiter.

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