Die "Spuren Jesu" sind politisch heiß

Werbung
Werbung
Werbung

Seit einigen Wochen sieht man hier in der Umgebung von Kirchen Plakate in arabischer und englischer Sprache, die den Besuch des Papstes im Heiligen Land ankündigen und ihn Willkommen heißen. Seit Kurzem findet man vor allem in Galiläa ähnliche Plakate in hebräischer und englischer Sprache. Ein kleiner, aber deutlicher Hinweis darauf, dass es hier unterschiedliche Interessen und Erwartungen im Hinblick auf diesen Besuch gibt. Der Papst folgt ja auch zwei Einladungen in das Staatsgebiet von Israel - einer des Staats-Oberhauptes Israels und einer der Regierung der palästinensischen Gebiete.

Der Papst selbst betont, dass er nicht zu einem Staatsbesuch kommt - die Besuche beim Staatschef und beim Palästinenserführer werden daher im Reiseprogramm "Höflichkeits-Besuche" genannt -, sondern als "Pilger auf den Spuren Jesu" unterwegs ist. Und seit Sonntag bezeichnet er sich als "Pilger des Friedens", was nicht nur schön und erwartungsvoll klingt, sondern auch der Tatsache entspricht, dass bei der Geburt Jesu in Bethlehem die Engel "Friede den Menschen auf Erden, weil Gott sie liebt" proklamiert haben, und in Jerusalem der auferstandene Herr seinen verschreckten Jüngern zugerufen hat: "Friede euch allen!" Dieses Land hat den Frieden bitter nötig, aber er scheint weiter entfernt zu sein als je.

Ausschlachtung von beiden Seiten

Die beiden unversöhnten Streitparteien - Juden und Palästinenser - versuchen, den Besuch des Papstes je für sich öffentlich auszuschlachten, was verständlich ist, weil die internationale Achtung beider - sei es durch ständige Terroranschläge und Drohgebärden der arabischen Seite, sei es durch brutale Vergeltungsschläge der jüdischen Seite - einen Tiefstand erreicht und deshalb Aufwertung unbedingt notwendig hat.

Wie sehr diese Konkurrenz das Programm beeinflusst, wird deutlich, wenn man die für die Messfeiern, die zweifellos religiösen Charakter haben, und andere Auftritte des Papstes bestimmten Plätze ansieht, denn sie sind eben auch politisch von Belang. Die überwiegend arabischen Christen in Bethlehem, wollten wenigstens für den Besuch im Flüchtlingslager einen Platz, der auch die demütigende und verhasste Trennmauer unübersehbar ins Bild bringt. In Jerusalem wurde nach längerem Verhandeln ein versteckter Platz im Kidron-Tal zwischen dem Tempelberg in der Altstadt und dem Ölberg gefunden, an welchem bis zuletzt - traditionellen Rechten folgend - Hirten ihre Schafe weiden ließen, so dass erst verspätet mit den notwendigen Bauten begonnen werden konnte. Und in Nazareth, dem Wohnort der heiligen Familie, wo alles einfacher zu sein schien, musste wegen angedrohter Störungen durch radikale Muslime in der Nähe der großen Verkündigungs-Kirche ein Platz am Rand der Stadt gewählt werden, am Abhang jenes Berges, über den die aufgebrachten Nazarener Jesus nach seiner ersten Predigt in ihrer Synagoge hinabstürzen wollten.

Die "Spuren Jesu", denen der päpstliche Pilger folgt, sind politisch heiß.

Ökumenische und interreligiöse (Juden, Christen und Muslime betreffende) Begegnungen und Wortspenden sind beinahe schon päpstliche Routine, doch letztere lassen - nach Regensburg und Williamson - wieder Überraschungen erwarten - so oder so.

Keine "Pastoralreise"

Von der ursprünglich geplanten "Pastoralreise" zur Ermutigung und Stärkung der Christen im Land, die ja insgesamt neben den Muslimen und Juden nur noch knapp zwei Prozent der Bevölkerung ausmachen und mehrheitlich Palästinenser sind, kann keine Rede mehr sein. Der Papst darf zwar Christen im palästinensischen Westjordanland besuchen, nicht aber jene im Gazastreifen, die zu den ärmsten der von den israelischen Kampfmaßnahmen betroffenen Palästinenser zählen und pastoral weitgehend im Stich gelassen sind, weil ihre Seelsorger es nicht dürfen oder nicht wagen, sie zu besuchen. Und nicht einmal der Papst!

Daher erwarten die palästinensischen Christen außer tröstenden und ermutigenden Worten für sich nichts. Sie hätten den Besuch ihres Oberhirten am liebsten auf später verschoben, was wiederum aus politischen Gründen unmöglich war.

Aber in Jerusalem hat der Heilige Geist nicht nur einmal alle tristen Erwartungen über den Haufen geworfen!

P.S.: Naive, um nicht zu sagen: unverzeihliche Uninformiertheit in der römischen Kurie hat jüngst viel Schaden angerichtet. Die Tatsache, dass der 14. Mai, der Jahrestag der Staatsgründung Israels - für die arabische Welt ein Trauertag! -, in den Termin des Papstbesuchs fällt, signalisiert in dieser Hinsicht noch keine Besserung.

* Der Autor ist em. Liturgie-Professor an der Universität Graz

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung