Sollen Muslime Ostern feiern?

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Die Kreuzigung Jesu aus muslimischer Perspektive.

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Die Kreuzigung Jesu aus muslimischer Perspektive.

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Ich vermute, dass nicht nur viele Muslime, sondern auch viele Christen sowie Angehörige anderer Religionen mit Ostern an erster Stelle den Osterhasen und Ostereier assoziieren. Auch bei meinen Studierenden der Islamischen Theologie stelle ich immer wieder fest, dass kaum jemand etwas über den christlichen Hintergrund von Ostern weiß. Einige gehen sogar davon aus, dass Ostern nichts mit Religion zu tun hat. Natürlich spielt dabei der Glaube fast aller Muslime, dass Jesus nicht gekreuzigt wurde und es deshalb keinen Anlass für seine Auferstehung gebe, eine entscheidende Rolle.

Aber woher kommt dieser muslimische Glaube? Muslime berufen sich auf den einzigen koranischen Vers, der das Thema Kreuzigung Jesu anspricht. In Sure 4, Vers 157 heißt es, dass Juden in Medina Mohammed sagten, ihre Vorfahren hätten Jesus getötet, „sie haben ihn aber weder getötet noch gekreuzigt, sondern es erschien ihnen so“. Aus diesem Vers können wir nur ableiten, dass es nicht die Juden waren, die Jesus gekreuzigt haben. Tatsächlich waren es die Römer.

Aber ob Jesus gekreuzigt wurde oder nicht, ist eine Leerstelle im Koran, die unkommentiert bleibt. Ich gehe einen Schritt weiter und meine: Es lebten viele Christen in der Nähe Mohammeds, wäre es ihm wichtig gewesen, hätte er ihren Glauben an die Kreuzigung Jesu deutlich und mehrfach im Koran kritisiert. Das tat er aber nicht. Offensichtlich hatten weder Mohammed noch der Koran ein Problem damit.

Dass die Kreuzigung Jesu als ein Hauptunterschied zwischen Islam und Christentum dargestellt wird, scheint einer späteren apologetischen Entwicklung geschuldet zu sein, in der sich Muslime, womöglich aus politischen Gründen, von einigen christlichen Gemeinschaften ab- und ausgrenzen wollten. Dies sollte uns heute nachdenklich machen, ob nicht Muslime entspannt gemeinsam mit Christen Ostern feiern sollten.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster.

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