This is my body/15 - © Hermann Glettler, "This is my body/15", 2022

Weihnachten - die "Menschwerdung Gottes"

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Was soll „Menschwerdung Gottes“ nicht nur, aber gerade heute bedeuten? Eine interkulturelle Annäherung an die Botschaft des Weihnachtsfestes.

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Was soll „Menschwerdung Gottes“ nicht nur, aber gerade heute bedeuten? Eine interkulturelle Annäherung an die Botschaft des Weihnachtsfestes.

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Menschwerdung Gottes, was soll das bedeuten? Orientalische und römische Herrscher ab Augustus ließen sich gerne als Gott (deus) bzw. göttlich (divus) feiern. Auch als Kaiser Konstantin im Jahr 325 Jesus als Gott „wesensgleich“ definieren ließ, ging es um seine eigene Macht, denn gleich nach Jesus kam jetzt er. Und wenn alle glaubten, was der Kaiser vorgab, festigte das seine Herrschaft. Doch auch der Mensch Christus Jesus (1 Tim 2,5) nahm zunehmend die Züge des Kaisers an. Den Bischöfen war es recht, sie partizipierten an der kaiserlichen Macht, wurden entsprechend belohnt, nicht nur mit dem Bau der Geburts- und Grabeskirche durch Konstantin, seine Frau Fausta hatte schon vorher ihr Haus am Lateran dem Bischof von Rom geschenkt. Er ist bis heute der offizielle Papstsitz, nicht der Vatikan.

Was wird mit „Christi Geburt“ gefeiert?

Christi Geburt jedoch beschäftigt kaum ein Drittel der Menschheit, obwohl alle die Jahre von dort weg zählen. Was damit gefeiert werden soll, ist nicht leicht zu verstehen und doch so einfach. Die Engel verkünden: Ehre (ist/sei) in (den) Höchsten Gott! (Lk 2,14), doch wir haben seiner himmlischen Größe nichts hinzuzufügen. Auch der zweite Teil: Und auf Erden Friede in Menschen (göttlichen) Wohlgefallens (eudokía), geht ins Leere, wenn die Lateiner daraus Menschen guten Willens (bonae voluntatis) machten und der Gottesfriede davon abhing, ob wir anderen den guten Willen (den wir gepachtet haben) zubilligten. Zudem verkürzte die lateinische Pax als der Abwesenheit von Krieg den biblischen Schalom, der den Frieden als Ganzheit, Wohlbefinden, Unversehrtheit, Freundschaft, Heil, Gesundheit und Sicherheit meint.

Völlig sinnentleert wird Jesu Geburt allerdings, wenn sie nur seinen Kreuzestod präludiert. Dann gelten die dreieinhalb Jahrzehnte seines erfüllten Lebens nichts mehr im Vergleich zu den 18 Stunden Leiden und Tod, die Genugtuung für unsere Sünden leisten sollen. Ehre aber macht eine solche Erklärung Gott bestimmt nicht, sie ideologisiert höchstens die Todesstrafe.

Jesus hat sein Leben eingesetzt (nicht „hingegeben“), um Gottes bedingungslose Güte zu bezeugen. Er sprach den Armen Mut zu, heilte Schwache/Kranke, aß mit Zöllnern und Sündern, schloss die Kleinen in sein Herz, die in der alten Welt am allerwenigsten galten. Ganz anders die (erst im Osterlicht geschriebene) Kindheitsgeschichte des Matthäus, dem Jesu Geburt gerade einen Nebensatz zu Ort und Zeit wert ist (Mt 2,1): Da beten Magier aus (Sonnen-)Aufgängen erstmals in der Weltgeschichte ein Kind als „göttlich“ an.

Sie waren nicht astronomischen Auffälligkeiten, sondern innerem Licht folgend zur Erkenntnis gelangt: Dieses/jedes Kind bringt eine himmlische Botschaft mit. Das moderne „Babywatching“ bestätigt: Die Embryos und Neugeborenen erbringen unglaubliche Intelligenzleistungen, ihr Geist transzendiert die Biologie, lässt das Geheimnis des Lebens mit Händen greifen, liebkosen.

Wie viel anders wäre die Weltgeschichte verlaufen, hätte das Konzil von Nizäa die göttliche Würde jedes Menschen promulgiert. So aber wurde diese auf ein Gastspiel in Jesus reduziert, er alsbald wieder in den Himmel weggelobt, damit hier alles so weitergehen könne wie bisher. Nein, es kam oft noch schlimmer, allein schon dadurch, dass die jesuanische Weisheit und Weisung für normal Sterbliche undurchführbar wurde, wenn sie zu völlig ungleichen Bedingungen formuliert war. Zudem lasen die Lateiner aus der Bergpredigt (Mt 5,48) gottgleiche Perfektion als ethischen Maßstab ab, woraus nur Frustration und Aggression folgen konnten. Und so erwuchsen gerade aus der Religion der Liebe die meisten Kriege, die Schoa und der spirituelle/sexuelle Missbrauch. Unfassbar, aber dennoch irgendwie „logisch“.

Liebe ist unteilbar

Nach der Bibel ist der/jeder Mensch (nicht Mann!) Bild Gottes (Gen 1,27), doch die Einheitsübersetzung erklärte ihn über Jahrzehnte zum Abbild, während Jesus das Ebenbild war. Die Revision hat diese (katechetische?) Unterscheidung zurückgenommen, ist aber dennoch bemüht, Jesus möglichst mit Gott gleichzusetzen wie in der Weihnachtslesung (Tit 2,13), wozu kein Anlass besteht. Warum sollte nur Jesus „einziggeborener“ Sohn sein? Ist nicht jedes Geschöpf einzigartig, liebt der Schöpfer nicht jedes einzelne wie sein einziges? Liebe ist unteilbar.

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