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Unser Friede ist der Herr!

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Das goldene Zeitalter dauerte schon eine ganze Generation, wenigstens im Mutterland des Römischen Reiches, in Italien. In den Provinzen gab es immer wieder Aufstände, gewiß, aber auch hier siegten nach kurzer Zeit die Legionen des Augustus. Neuerdings machten die germanischen Völker zu schaffen, und Varus, der Feldherr, verlor viele Soldaten. Auch in Syrien, vor allem unter den Juden, gab es immer wieder kurz auf flammenden Widerstand.

Der letzte ereignete sich im selben Jahr, da die erste große Volkszählung im Riesenreich

stattfand; zur selben Zeit, da ein Zimmermann aus Nazaret sich mit seiner hochschwangeren Frau auf den Weg machte, um in seinem Stammort Bethlehem in die Listen eingetragen zu werden. In diesem Augenblick beginnt der Evangelist Lukas sein Weihnachtsevangelium: „Es begab sich aber zu der Zeit... “

Das winzige Volk der Juden zählte kaum in der Menge von Unterworfenen: nicht mehr, als Sierra Leone für das britische Weltreich oder Estland für das sowjetische Imperium.

Trotzdem machte es seinen Besatzern viel zu schaffen. Die Leute wollten sich merkwürdigerweise die Wohltat der pax romana, des Friedens nach römischem Muster, nicht widerspruchslos gefallen lassen. Noch merkwürdiger: eben um des Friedens willen! Von ihm sprachen Propheten und Psalmi- sten unaufhörlich, in zahllosen friedlosen Jahrhunderten, da die Fremden nacheinander Herren im Land waren.

Von ihm sprachen sie aber auch, wenn kein Krieg herrschte — wie jetzt, während des „goldenen Zeitalters“. Ihr Friede war mehr als Abwesenheit von Krieg — er war die Anwesenheit Gottes bei seinem Volk: Er wird die Herzen zum Frieden wenden. Wo dieser Herr nicht das Haus bewacht, wachen die Wächter vergebens.

Als Sohn dieses Volkes mit seiner hochgestimmten Friedenserwartung wuchs das Kind auf, an dessen Geburtsort wir zu Weihnachten den Lobgesang hören: „Ehre sei Gott in Himmelshöhen und Friede auf Erden bei den Menschen seiner Gnade!“ _

Das ist völlig in jüdischer Tradition gesagt: Nicht An- oder Abwesenheit von Krieg entscheiden über den Frieden, sondern der Einklang mit Gott. Sein Wohlgefallen bringt Frieden.

Schalom - Friede: mehrere Dutzend Male erklingt es aus dem Munde Jesu, und die Apostel fahren darin fort. Niemals geht es da um etwas, was zu machen- immer um etwas, was zu empfangen und dann in seine Rechte einzusetzen ist.

Aber die Bergpredigt mit ihrer Seligpreisung derer, die Frieden machen? Nun, sechs andere Preisungen gehen hier voraus: Arme,

Leidtragende, Niedrige, Hungernde, Barmherzige und Her- zensreine — zu ihnen gesellen sich die „Friedensmacher“: allesamt Menschen, deren Lebensdefizite sich nur im Glauben in ein Haben verwandeln, deren einziger Reichtum Gott ist.

Für diese Leute geht Jesus ans Kreuz, von diesem Weg handeln die Evangelien. Darum feiern wir den Geburtstag dieses Mannes, weil wir ohne seinen Sterbetag nicht mehr leben möchten. Zwischen Krippe und Kreuz ist nur ein kurzer Weg, aber lang genug, um den Friedensschluß Gottes mit uns Menschen aus Wort und Wirken Jesu von Nazaret zu erfahren.

Wir müssen wieder ganz von vorn anfangen und fragen, was denn dort zu Weihnachten eigentlich gemeint ist: Friede auf Erden — bei Menschen, an denen er Wohlgefallen hat? Wie werden wir solche Menschen, wie erringen wir solchen Frieden, von dem es in jedem Gottesdienst heißt, er sei höher als alle Vernunft?

Die Antwort kann nur heißen: durch den Glauben, daß dieser Mensch Jesus Gottes eingeborener Sohn ist und daß wir durch ihn zeitlich und ewig selig werden. Durch nichts anderes.

Für dieses Bekenntnis haben sich Christen damals und bis in unsere Tage verfolgen lassen. Dafür haben sie die relative Rechtssicherheit, die das Römische Reich gewährte, wie auch alle Verlok- kungen von Diktaturen bis heute abgewehrt. Wer ihnen den Primat Gottes und seiner Gebote, wer ihnen Christus als den einzigen Weg zum Heil streitig machte, dem widerstanden sie. Und hatten dabei Frieden, denn dieser Christus war und ist selbst ihr Friede.

Freilich: Das Gottesreich auf Erden wird trotzdem nicht ausbrechen. Es bleibt die Sünde, es bleibt der Streit, es bleibt auch der Krieg. Aber wir nehmen sie nicht tatenlos hin. Menschen, deren Friede am Kreuz geschlossen wurde, lassen sich von niemand an Ideenreichtum bei der Überwindung von Streit und Krieg übertreffen. Was sie daheim, in Christen- und Bürgergemeinde übten, sollte für ihr Volk und die Völkerwelt nutzlos sein?

Nochmals: undenkbar! Geschieht es doch, müssen sie sich fragen lassen, ob sie Heil und Frieden nicht woanders suchten als in dem, der unser Friede ist.

Friede auf Erden: vorerst und zeichenhaft bei denen, an welchen Gott Wohlgefallen hat. So sagt es die Weihnachtsbotschaft, so sagen es Krippe und Kreuz, so sagt es jeder Gottesdienst, in dem gleich fünfmal der Friedensgruß erklingt.

Wer zu diesem Frieden beitragen will, muß zu diesem Friedefürsten gelangen. Ein ganzes langes Jahr, ein ganzes Leben lang. Mit anderen wird er dann dem Frieden auf Erden Raum machen und doch wissen, daß Schwerter erst am Ende der Tage in Pflugscharen umgeschmiedet werden.

Der Verfasser ist evangelischer Pfarrer i. R. im Tessin (Schweiz).

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