Wider das "Aber" im Dialog

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Wie Christen und Muslime produktiv miteinander umgehen könn(t)en.

Der erste Ge- danke lau- tet: Wollen wir Christen in Österreich das überhaupt? Wer will Muslime in ihrem Selbstverständnis wirklich verstehen? In den letzten fünf Jahren war ich in 40 bis 50 Pfarren bei Vorträgen mit der Frage konfrontiert, ob die Muslime Bedrohung oder Chance für die Christen seien. In einem einzigen davon forderten mich die Teilnehmerinnen auf, den Abend mit dem Gebet zu beenden. Nicht dass sie meinten, wir müssen beten, weil der Verstand nicht weiterkommt, sondern wir müssen den Geist Gottes erbitten, damit wir die Verschiedenheit aushalten, damit wir dem Andersgläubigen mit Respekt begegnen, damit wir alle zusammen an einer Welt bauen. Es war der erste Abend, der nicht mit Anschuldigungen und Verdächtigungen, sondern optimistisch endete. Ein Abend, der nicht voll des neuen Dialog-Modewortes "aber" war: "Deine Erfahrungen und Überlegungen mögen gut sein, aber der Islam bedroht uns, aber die Gewalt gehört zum Islam, aber die meisten Muslime wollen unsere Ordnung nicht, aber das Essen riecht im Hausgang …"

Bedenkenträger

Diese ewigen Bedenkenträger, die alles zu berücksichtigen scheinen, setzen im letzten keine Handlungen. Es mag berechtigt klingen, in der Frage der Begegnung Christen und Muslime Reziprozität, entschiedenes Christsein, die Wurzeln Europas einzufordern, für die Frage wie der einzelne Christ nun handeln soll, ist das keine Hilfe. Es gilt zu unterscheiden, ob wir einen politischen Diskurs haben über die Behandlung von Minderheiten in islamischen Ländern, ob wir religionsphilosophisch nachdenken, wie der Islam heilsgeschichtlich zu ver- stehen ist, ob wir theologische Ver- gleiche anstellen, oder ob wir übers Zusammenleben in Österreich spre- chen. Warum wird das Zusammenleben zweier staatlich anerkannter Glaubensgemeinschaften in Frage gestellt, auch von Christen?

Wo sind die Fehler? Den ersten sehe ich in der fehlenden Unterscheidung zwischen dem Glaubensideal Islam und dem islamistischen Fundamentalismus. Wir wissen, dass der politische Islam gewachsen ist; er ist jedoch kein Mainstream unter den 1,5 Milliarden Muslimen. Darum ist es unredlich, dem Muslim in Österreich ständig den Missbrauch seines Glaubens anderswo vorzuwerfen. Ein zweiter Fehler besteht im Zwang, dass der andere sich mir anpassen soll. Nicht das Fremde, das ganz Andere, die Parallelwelt ist das Problem, sondern der fehlende Wille, eine gemeinsame Grundlage zu erarbeiten. Und hier will ich nun endlich zu Antworten kommen.

Wie kommen wir zur gelingenden Begegnung? Indem wir einfach unsere christliche Grundhaltung einsetzen. Das Bild des Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry kann dabei helfen. Er schreibt, dass der kleine Prinz bedrohlich auf den Fuchs wirkt. Wenn er aber jeden Tag ein Stück näher kommt, dann wird er ihm vertraut, und dann freut er sich auf die Begegnung. Das braucht es zwischen Christen und Muslimen: das Vertrauen, dass der eine den anderen nicht "in die Pfanne hauen will", sondern sie Freude haben, wenn sie sich treffen. Ich muss mich darum fragen, welche vertrauensbildende Maßnahme ich setze. Wie beginne ich das Gespräch? Mit welcher Absicht tue ich was? Ist meine Absicht rein?

Absichten des Gesprächs

Zweitens: Seien wir selbstkritisch! Wie lange hat die katholische Kirche gebraucht, um dem einzelnen Menschen die Gewissensfreiheit, die Meinungsfreiheit oder die Interpretation der Bibel zuzugestehen? Wie viele Prozesse der inneren Reform haben wir allein in den vergangenen 50 Jahren durchgemacht? Wie viele "Dialoge mit der aufgeklärten Welt" hat es dazu gebraucht? Diese innere Entwicklung kann ich auch im Islam und bei den Muslimen sehen. Ich muss zulassen, dass durch viele Dialoge Menschen und Denksysteme sich verändern. Die Frage an mich ist, ob ich ein Dialogpartner sein will.

Drittens: Jede Begegnung ist ein menschliches Ereignis, das nicht programmierbar ist. Es braucht das lange Zuhören, die Rückfrage, die Neugierde, aber auch die Achtung und den Respekt. Vor allem aber braucht es Humor. Die Fähigkeit über sich selbst zu lachen, weil halt nicht alles so perfekt ist. Die Möglichkeit über den anderen zu lachen, weil nicht alles passt, was er mir sagt.

Wie hab ich gelacht über den selbstironischen Witz, den mir eine türkische Familie erzählte: "Zwei Türken sind im Zug unterwegs. Da kommt ein Getränkemann., Möchten Sie Fanta oder Cola?' Antwortet der eine Türke:, Odercola.'"

Der Autor ist Pfarrer in Wien-Neufünfhaus. Er leitet die Kontaktstelle für christlich-islamische Begegnung in der Erzdiözese Wien.

TIPP: Auf der Pfarr-Homepage von Neufünfhaus ( www.pfarre-nfh.at) findet sich unter dem Menüpunkt "Brücken in alle Welt" die lesenswerte Serie "Dem Islam begegnen", die Martin Rupprecht für die Kirchenzeitung "Der Sonntag" verfasst hat.

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