Religion und die Medien

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Medien-Viennale 2000 im Wiener Rathaus: Der Beitrag der Medien zum interreligiösen Dialog.

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Medien-Viennale 2000 im Wiener Rathaus: Der Beitrag der Medien zum interreligiösen Dialog.

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Noch immer prägen religiöse Sätze den Menschen. Das habe sich gegenüber früher nicht geändert. Denn Religion sei nach wie vor Vertrauenssache und weniger eine Wissensangelegenheit: Dies hob der Wiener Kommunikationswissenschafter Thomas Bauer bei der Medien-Viennale, die vom Internationalen Presse-Institut veranstaltet wurde, hervor. Auch die Religionen müssten sich dem freien und vernetzten Markt der Möglichkeiten stellen. Eine Abschottung gegenüber den gesellschaftlichen Themen, wie dies vielleicht noch vor wenigen Generationen möglich war, wird es künftig nicht mehr geben. Positiv könnten die Religionen die Medien nutzen, um ihre Botschaft wirkungsvoller zu verkünden.

An bestimmten Medienmechanismen kommen auch die Religionen nicht vorbei. So ist die Aufmerksamkeit diejenige Kategorie, die über Teilnahme am Markt und über Gewinn und Verlust entscheidet. Fürs interreligiöse Gespräch kommt den Medien die Rolle der Mediation zu, da Medien Orte religiös vermittelter Diskurse sind. So mag zwar die Religion "entkirchlicht" werden (Jesus Ja - Kirche Nein), aber sie wird nicht "entgesellschaftet". Als Instanz moralischer Maßstäbe wird sie ihre Funktion in der Gesellschaft dann erhalten können, wenn sie Kommunikation nach außen wagt und damit zur Ordnung beiträgt, wo Chaos herrscht.

Heute leben viele Menschen in Österreich in fremdsprachigen Gemeinden. Beim interreligiösen Dialog komme es darauf an, die Unterschiede der Religionsgemeinschaften, als das Eigene und das Fremde zu deklarieren, betonte Christine Gleixner, Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich. Hemmnisse beim Dialog seien eine generalisierende Sprache (Juden sind ...), mangelndes Wissen voneinander (Klischees), geringe Bereitschaft aufeinander zu hören (Übereifer) und der Verdacht auf Proselytismus.

Es gäbe eine reiche Geschichte des friedlichen Zusammenlebens zwischen Muslimen und Christen, konstatierte die Vertreterin der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Tarafa Baghajati. Sie sieht in der Nutzung der Massenmedien die grosse Chance zur Richtigstellung von Vorurteilen, wie der Islam sei frauenfeindlich und fundamentalistisch. "Ein Wechsel der Religion führt beim Einzelnen zu emotionalen Problemen", gab Thomas M. Fiedler von den Buddhistischen Gemeinden zu bedenken. Der Dalai Lama betone, es sei nicht notwendig für den Buddhismus das Eigene über das Fremde zu stellen, denn er habe zum Ziel, die jeweiligen kulturellen Besonderheiten zu integrieren. Diese Religion wandle sich sehr: Niemand wisse, wie sie in 100 Jahren aussehen wird.

"In einem katholischen Land wie Österreich tanzt man aus der Reihe, wenn man Protestant ist." Von dieser Grundthese ging der reformierte Pfarrer Balasz Nemet aus. Schon Martin Buber und Ferdinand Ebner aber hätten darauf verwiesen, dass der Mensch am Du zum Ich wird, also das Gegenüber brauche. Noch nie habe es eine solch starke Säkularisierung in Europa gegeben wie heute. Deshalb würde das Hauptproblem der Zukunft im Umgang mit den "Nicht-Religiösen" und "Gleichgültigen" liegen.

Die Juden haben in den letzten 100 Jahren "viel Desintegration" erfahren. Ohne Respekt der Andersartigkeit des anderen sei kein Dialog möglich, meinte Tirza Lemberger vom Institut für Judaistik in Wien.

Nicht die Empörung war es, die die Religion um den Einfluss gebracht hat, sondern die Gleichgültigkeit. Und so tragen die virtuellen Welten ebenso zum Religionsverlust bei. Auch wird das Unendliche immer mehr auf Endlichkeit reduziert, und Religion ohne Transzendenz werde zur Ästhetik reduziert. Der mediale Transformationsprozess vernachlässige die Sinndimension, erklärte Publizistikprofessor Maximilian Gottschlich.

Die eigentliche Herausforderung der Zukunft sei in zwei Fragen zu formulieren: Wie kann man nun die schwelende Gottesmüdigkeit, bei der das Gebet durch Meditation ersetzt wird, wieder zur Grundintention der Religionen führen? Anders gesagt: Wie kann dem spirituellen Nomadentum wieder geistige Heimat geschenkt werden?

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