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Um den gemeinsamen Kampf gegen die Bedrohung von Humanität geht es kommende Woche in Wien. Auf Initiative von Außenminister Alois Mock ist die Hofburg vom 30. März bis 2. April Schauplatz einer Internationalen Christlich-Islamischen Konferenz. Es geht um gemeinsame Herausforderungen in einer Welt im Umbruch -Stichwort: Menschenrechte

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Um den gemeinsamen Kampf gegen die Bedrohung von Humanität geht es kommende Woche in Wien. Auf Initiative von Außenminister Alois Mock ist die Hofburg vom 30. März bis 2. April Schauplatz einer Internationalen Christlich-Islamischen Konferenz. Es geht um gemeinsame Herausforderungen in einer Welt im Umbruch -Stichwort: Menschenrechte

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FURCHE: Der Dialog zwischen Christen und Moslems wird heute im Westen zunehmend als notwendig erkannt: aus politischen, sozialen und religiösen Gründen. Lohnt sich aber so ein Dialog, wenn man auf die tatsächlichen Auswirkungen islamischer Politik schaut (siehe Seite 10)?

SMAILBALIC: Ich glaube, erlohnt sich schon. Es ist halt die Frage zu ventilieren, die ich mir auch jetzt anläßlich des bevorstehenden wissenschaftlich-weltanschaulichen Dialogs in Wien stelle, ob man islamische Gesprächspartner eingeladen hat, mit denen man auch weiterhin kooperieren kann, oder ob es sich um Leute handelt, die mit den Fundamentalisten liebäugeln, denn diese Menschen kapseln sich ab.

Es müßte darum gehen, mit Kräften ins Gespräch zu kommen, die den Menschenrechten im islamischen Kulturraum Geltung verschaffen wollen - und diese Kräfte gilt es zu unterstützen und zu stärken. Dazu muß man aber anmerken, daß der Westen im islamischen Orient verrufen ist. Die Fundamentalisten versuchen durch Rückgriff auf alte Modelle die Probleme von heute zu lösen. Ich bin der Meinung, daß man die großen sozialen Probleme der islamischen Welt auch außerhalb der Religion lösen kann. Religion sollte eine umgreifende moralische Kraft sein.

FURCHE: Der Westen ist im Orient verrufen. Auf der anderen Seite hat der Islam im Westen alles andere als einen guten Ruf (siehe Seite 11).

BALIC: Das hat mit dem Fundamentalismus zu tun, der aber nicht mit dem Islam gleichgesetzt werden darf. In der islamischen Welt machen die Araber, Träger des islamischen Fundamentalismus, nur rund 15 Prozent aus. Insgesamt umfaßt die fundamentalistische Tendenz nur etwa ein Viertel des Islam. Viele Qualifizierungen geschehen in diesem Zusammenhang aus politischen Gründen und sind Verleumdungen, so beispielsweise die Aussage, die Bosnia-ken seien Fundamentalisten. Dabei wissen wir, daß die bosnischen Moslems durchaus westlich-europäisch denken.

FURCHE: Glauben Sie, daß sich in der islamischen Welt so etwas wie ein Weltethos, eine Uberzeugung, daß

Menschenrechte nicht verletzt und Menschen nicht gequält werden dürfen, durchsetzen kann?

BALIC: Die Religionen, auch der Islam, werden sich dem, was Leonard Swidler in Amerika und Hans Küng in Deutschland diesbezüglich entwickelt haben, nicht entziehen können. In der Lehre des Islam gibt es nichts, was dagegen sprechen könnte. Man darf nur nicht den Islam mit der Scharia, der Gesetzgebung, verwechseln, wie das manche islamische Gelehrte machen. Die Scharia ist nicht der Koran, sondern eine Konstruktion späterer Generationen.

Und die Exegese des Koran läßt eine Herausschälung des Gesetzes ohne weiteres zu.'

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FURCHE: Das heißt also; daß gewisse Bestimmungen im Koran als zeitbedingtes Gesetz zu interpretieren sind, das heute nicht mehr gültig sein muß?

BALIC: Wenn zum Beispiel vom Abhacken der Hand die Rede ist, dann heißt das, daß dies - ähnlich wie die alttestamentarische Bestimmung Aug' um Aug', Zahn um Zahn - einem überholten Rechtsdenken entspricht. So wie sich die Juden vom alten Denken befreit haben, könnte das auch der Islam tun.

FURCHE: Wie würden Sie den Islam mit einer Kurzformel beschreiben?

BALIC: Eine Lebens- und Leidensbewältigung im Zeichen der Hingabe an Gott.

FURCHE: Hans Rauscher hat im „ Kurier " den Islam als die dritte große Herausforderung des Westens nach dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus bezeichnet (Seite 11).

BALIC: Es ist weniger der Islam als die unmöglichen sozialen Zustände in der Dritten Welt. Und in diesem Zusammenhang ist es vor allem Lateinamerika, das große Sorgen machen muß. Der Islam ist Europa natürlich geographisch näher - und das macht das Gefühl der Bedrohung hier so akut. Wesentlich ist, daß wir bei Dialogkonferenzen immer davor warnen, den Islam zu religionspolitischen Zwecken zu mißbrauchen. Mit dem aus Bosnien stammenden moslemischen Autor („Das Unbekannte Bosnien -Europas Brücke zur Islamischen Welt", Bühlau-Verlag, Wien 1991), Herausgeber der Zeitschrift „Islam und der Westen" sprach Franz Gansrigier.

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