Dalai Lama - © GettyImages  / AFP / Saul Loeb    -    Dalai Lama bei einem Besuch im US-Congress

Religionen: Würze der Demokratie?

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Die Bedeutung von Religionstraditionen schwindet. Gleichzeitig mehren sich Stimmen, welche Religion als „Ergänzung“ der modernen Gesellschaft verstehen wollen. Ein Blick in die Geschichte mahnt aber zur Vorsicht.

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Die Bedeutung von Religionstraditionen schwindet. Gleichzeitig mehren sich Stimmen, welche Religion als „Ergänzung“ der modernen Gesellschaft verstehen wollen. Ein Blick in die Geschichte mahnt aber zur Vorsicht.

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In jüngster Zeit mehren sich Stimmen, die auf den auf den positiven Beitrag hinweisen, den Religionen in den westlichen liberalen Demokratien entwickeln könnten. Dazu gehört insbesondere der bekannte deutsche Religionssoziologe Hartmut Rosa, der in den letzten Jahren eine erstaunliche und für sein akademisches Fach ungewöhnliche Vorliebe für Religion entwickelt hat.

Religionen werden quasi als Würze der Demokratie, als notwendige Ergänzung der aktuellen, sich immer mehr säkular und „neoliberal“ beziehungsweise „kapitalistisch“ (wahlweise um andere aktuell gerne verwendete, zumeist aber vage bleibende Schreckbegriffe zu ergänzen) entwickelnden westlichen Gesellschaften konzipiert. All dies entwickelt sich offensichtlich zu einer möglichen neuen Verortungsmöglichkeit von Kirchen und Religionstraditionen, deren Bedeutung in der modernen Gesellschaft auf einer globalen Ebene evident schwindet.

Dieser Zugang hat etwas für sich, weil die Religionen mit ihren Bezügen und Verweisen auf eine Sinndimension jenseits dieser Wirklichkeit zweifellos ein interessantes, alternatives und vieles relativierendes Angebot darstellen. Allerdings muss kritisch die Frage nach dem grundsätzlichen Verhältnis bzw. der Verträglichkeit von Religion und Demokratie gestellt werden. Bei näherer Betrachtung dieses Beziehungsverhältnisses ist durchaus Vorsicht geboten, insbesondere wenn man die geschichtlichen Verläufe beachtet.

Religionen stützten feudale Systeme

Der historische Befund ist nämlich mehr als eindeutig: Religionen aller Ausprägungen haben jahrtausendelang feudale, nichtdemokratische und streng hierarchisierte Gesellschaftssysteme nicht nur mitgetragen, sondern vielmehr aktiv legitimiert und gestützt. In der christlichen europäischen Tradition dominierte lange Zeit die Vorstellung von einer gottgewollten gestuften Wirklichkeit, die beispielsweise die gesellschaftliche Vorordnung aristokratischer Schichten legitimierte und die sich ausgesprochen gut mit den zugrundeliegenden biblischen Textmaterialien verbinden ließ.

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