Israel gegen Hamas: Theopolitik ist im Nahostkonflikt fatal

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So sehr von den Kirchen zu fordern ist, zum Existenzrecht Israels klar Stellung zu beziehen: Den Nahostkonflikt heilsgeschichtlich aufzuladen (wie jüngst geschehen), ist kontraproduktiv. Ein Gastkommentar.

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So sehr von den Kirchen zu fordern ist, zum Existenzrecht Israels klar Stellung zu beziehen: Den Nahostkonflikt heilsgeschichtlich aufzuladen (wie jüngst geschehen), ist kontraproduktiv. Ein Gastkommentar.

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Am 1. März findet der heurige Weltgebetstag der Frauen statt. Sein Motto lautet: „Informiert beten – betend handeln.“ Die Liturgie ist in diesem Jahr von palästinensischen Christinnen erarbeitet worden. Das im vergangenen Herbst erschienene Materialheft zierte ursprünglich ein Bild der palästinensischen Künstlerin Halima Aziz, dessen Symbolik zu Recht als antisemitisch kritisiert worden ist. Kritik ist aber auch am Inhalt des Materialheftes laut geworden, weil einige Texte letztlich das Existenzrecht des Staates Israel in Frage stellen. Unter dem Eindruck des von der Hamas am 7. Oktober verübten Pogroms wurde das umstrittene Bild vom Cover der deutschen und der österreichischen Ausgabe entfernt. Die deutsche Ausgabe wurde zudem inhaltlich überarbeitet. Das wiederum hat Proteste ausgelöst, wonach die unter dem Eindruck der Schoa geforderte bedingungslose Solidarität mit Israel das Schicksal und Leid der palästinensischen Bevölkerung nicht gebührend wahrnehme.

Der Konflikt gewinnt an Schärfe, wenn die Anerkennung des Existenzrechts Israels nicht allein als eine politische, völkerrechtliche und moralische Frage, sondern auch als eine Glaubensfrage angesehen wird. Genau dahingehend argumentierte freilich der renommierte evangelische Theologe Günter Thomas in einem Artikel in der evangelischen Monatszeitschrift zeitzeichen: „Wer nicht theologisch und in der Konsequenz dann auch politisch ,Ja‘ zum Staat Israel sagt, ist am Ende doch ein lupenreiner religiöser Antisemit“, spitzt Thomas zu.

Welches Israel in welchen Grenzen?

So sehr von den Kirchen und ihren Repräsentanten zu fordern ist, dass sie unmissverständlich Stellung beziehen und nicht herumlavieren, was das Existenzrecht Israels und die Bewertung der Hamas betrifft: Den Nahostkonflikt theologisch und heilsgeschichtlich aufzuladen – gleich ob von christlicher, jüdischer oder islamischer Seite –, ist fatal.

Eine theologische Schlüsselrolle spielen die alttestamentliche Landverheißung an Israel und die Verbindung von Bundestheologie und Landzusage. Der Nahostkonflikt berührt letztlich Fragen einer Geschichtstheologie.

Müssen die Kirchen, wenn sie sich heute zum ungekündigten Bund mit seinem Volk Israel bekennen, auch die Gründung des modernen Staates Israel als heilsgeschichtliches Ereignis deuten? Und wenn ja: Reden wir von Israel in den Grenzen des UN-Teilungsplans von 1947, von Israel in den Grenzen von 1967 oder von einem um weitere Gebiete zu erweiternden Staat, wie ihn religiöse Zionisten anstreben?

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