Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Unzivilisierte Beduinen
Eine Regierungsdelegation aus ägyptischen und libyschen Kabinettsmitgliedern soll dem dritten Partner der Föderation Arabischer Republiken in Damaskus die soeben beschlossene Union Ägyptens und Libyens zu einer „Vereinigten Sozialistischen Islamischen Arabischen Republik“ erläutern.
In Kairo reagiert man dennoch auf die Unionspläne, nach den bitteren Erfahrungen mit der nach nur drei Jahren im Herbst 1961 gescheiterten ersten „VAR“ mit Syrien verständlicherweise, mit großer Skepsis. Die Verlautbarung der Beschlüsse von Bengasi über die öffentlichen Lautsprecher der Ägyptischen Hauptstadt stieß auf betontes Desinteresse. Niemand glaubt hier wirklich, daß die libysche Militärjunta ihr menschenleeres Land und ihre auf dem Erdölreichtum beruhende, unerschöpflich scheinende Wirtschaftskraft wirklich unter ägyptisches Kuratel zu stellen bereit ist. Oberst el-Gaddafi wolle sich durch die Anlehnung an Ägypten vielmehr lediglich seiner wachsenden innerpolitischen Feinde erwehren und auf dem Umweg über die Union Führer Arabiens werden.
Die Westwendung im Hintergrund
Die Gefahr, daß el-Gaddafi als einer der beiden führenden Männer der geplanten Union wirklichen Einfluß auf die ägyptische Politik gewinnt, erscheint jedoch denkbar gering. Die Kairoer Regierung wird sich von dem Beduinen aus dem unzivilisierten Nachbarland kaum die fein gesponnenen Fäden ihrer Innen- und Außenpolitik verwirren lassen.
Auf die Schlüsselfrage, was den von Anfang an skeptischen es-Sadat veranlaßt habe, den seit fünf Monaten auf dem Tisch liegenden Unionsplänen im letzten Augenblick zuzustimmen, gibt man in Kairoer politischen Kreisen eine logisch klingende Antwort: Der Präsident habe sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, er sei gegen die arabische Einigung, und er wolle sich den Rücken frei halten für seine weiteren weltpolitischen Schritte. In der Tat kann es sich der Staatschef kaum leisten, sich auch noch mit innerarabischen Querelen abzugeben, wenn er den Rausschmiß der Russen, wie man am Nil glaubt, verabsolutieren und aus seinem Land wieder einen völlig neutralen Staat machen will. Die erste Phase des sowjetischen Abzuges ist offenkundig abgeschlossen. Experten schätzen, daß sich am Nil jetzt etwa noch so viele Russen aufhalten, wie vor dem Sechstagekrieg. Von amtlicher ägyptischer Seite läßt man aber durchblicken, daß die Russen auch den größten Teil ihrer Raketenstellungen und Feldflugplätze stillegen und das darauf befindliche moderne Kriegsmaterial abziehen werden. Als letzte Phase wolle man dann auch die zivilen Entwicklungshelfer loswerden. Seit letzter Woche gibt es einen ersten konkreten Hinweis darauf, von wo sich Kairo künftig Hilfe erhofft: Mit Großbritannien, jener 1956 schimpflich aus dem Land gejagten alten Kolonialmacht, verhandelt man über Waffenlieferungen. Der sich ankündigenden Westwendung Ägyptens, die übrigens den uneingeschränkten Beifall der Bevölkerungsmehrheit hat, bietet der einstweilen noch auf dem Papier stehende Unionsplan mit Libyen die nötige Rückendeckung. Nur darin liegt überhaupt seine Bedeutung. Selbst wenn er nie verwirklicht werden sollte.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!