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Andere Kriterien

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Die Araber reagieren zwiespältig auf ihren Abstimmungssieg in der UNO-Generalversammlung. Die arabische Presse feiert das Ergebnis der Abstimmung zwar als Niederlage für Israel und entscheidenden Schritt zur allgemeingültigen Anerkennung der „unveräußerlichen Rechte des palästinensischen Volkes“. Außer bei den Palästina-Guerilleros selbst und in den Hauptstädten der radikalen Araberstaaten hört man jedoch, besonders in Ägypten, auch selbstkritische Zwischentöne.

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Die Araber reagieren zwiespältig auf ihren Abstimmungssieg in der UNO-Generalversammlung. Die arabische Presse feiert das Ergebnis der Abstimmung zwar als Niederlage für Israel und entscheidenden Schritt zur allgemeingültigen Anerkennung der „unveräußerlichen Rechte des palästinensischen Volkes“. Außer bei den Palästina-Guerilleros selbst und in den Hauptstädten der radikalen Araberstaaten hört man jedoch, besonders in Ägypten, auch selbstkritische Zwischentöne.

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Palästinensische Gesprächspartner weisen dm Zusammenhang mit der Zionismus-Resolution darauf hin, daß hiermit ein weiterer Schritt zur friedlichen Durchsetzung der palästinensischen Ziele getan worden sei. Der durch den blutigen Bürgerkrieg im Libanon erneut in Bedrängnis geratene Chef der „Palästinensischen Befreiungs-Organisation“ (PLO) und des als gemäßigt geltenden Flügels der Guerillabewegung, Jassir Arafat, habe einen neuen Beweis für die Richtigkeit seiner Taktik liefern können. Das werde zweifellos zu einer Stärkung seines Prestiges und zu einer Zurückdämmung des radikalen Einflusses bei den „Fedaijjin“ führen.

In Algier, Tripolis und Bagdad, und in vereinzelten Kommentaren aus Damaskus setzt man sich vor allem mit der hier als unecht empfundenen „moralischen Entrüstung“ der UNO-Spitzenfunktionäre und der Gegner der Zionismus-Resolution auseinander. „Wenn Präsident Gaston Thorn und Generalsekretär Kurt Waldheim mit dem Mehrheitswillen der Vollversammlung nicht übereinstimmen, können sie ja zurücktreten. Aber sie kleben an ihren Sesseln und entledigen sich mit ihren kritischen Äußerungen nur einer Pflichtübung an die Adresse jener, die sie auf den Schild gehoben haben. Man wird bei der künftigen Personenwahl für diese Spitzenposten der Weltorganisation andere Kriterien geltend machen müssen“, heißt es in einem libyschen Kommentar.

Auch in Kardo stellt man sich öffentlich hinter die Zionismus-Resolution. Ägypten habe aus Gründen der panarabischen Solidarität keine andere Wahl als die vorbehaltlose Zustimmung gehabt. Die Ägypter verzichten aber keineswegs auf kritische Untertöne. Kairoer Kommentatoren bezweifeln vor allem den praktischen Nutzen des Abstimmungserfolges. Das Gefühl der Isolierung könnte sich in Israel verstärken und dazu führen, daß dieser Staat sich allen friedlichen Lösungsversuchen des Nahostkonfliktes energischer als bisher widersetze. Am Nil erkennt man durchaus den eklatanten Widerspruch zwischen der Meinung Präsident Mohammed Anwar es-Sadats, die Araber müßten sich mit der Existenz des Staates Israel abfinden, und der Meinung der UNO-Mehr-heit.

Die Kairoer Sorgen werden jedoch in erster Linie dadurch hervorgerufen, daß man jetzt nachteilige Auswirkungen auf die Zusammenarbeit des Landes mit dem Westen befürchtet. Der Haltung der EG-Staaten bei der Abstimmung mißt man zwar keine besondere Bedeutung bei. Die Bundesrepublik habe sich wegen der auf ihr lastenden Hypothek der Vergangenheit nicht anders verhalten können. Das ändere aber nichts an der forcierten Kooperation zwischen Bonn und den Airaberstaaten. Frankreich habe sich erneut als Freund der Araber gezeigt und Großbritannien könne auch weiterhin als Land angesehen werden, dessen wirkliche Interessen eindeutig auf seiten der Araber lägen. Sorge macht hier nur die mögliche Kursänderung der amerikanischen Entwicklungshilfepolitik. Man befürchtet, die Reaktion der Öffentlichkeit und des Parlamentes in den USA auf die Zionismus-Resolution könne auch den Erfolg Präsident es-Sadats bei seiner Amerikareise weitgehend in Frage stellen. Obwohl man öffentlich bei der Version bleibt, die Reise sei ein voller Erfolg gewesen, besteht in Regie-rungiskreisen kein Zweifel daran, daß der Staatschef wenig Konkretes aus Amerika mitgebracht hat. Und dieses Wenige könnte sich in ein Nichts verwandeln, wenn sich die harte USA-Kritik an der UNO-Reso-lution auf die amerikanische Entwicklungshilfepolitik auswirken sollte. Wie es am Nil heißt, hat Präsident es-Sadat bereits angeordnet, daß der ägyptische Botschafter in Washington Präsident Gerald Ford und Außenminister Henry Kissinger die Meinung Kairos zur Zionismus-Resolution genau erläutere.

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