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Argumente für die Rechte

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Zionismus mit Rassismus gleichzusetzen, heißt nachgerade auch jegliche nationalistische Initiative, somit auch antikoloniaiistische Bewegungen oder die Bestrebungen der Palästinenser um einen Nationalstaat verurteilen. Es ist daher müßig, über das Meritorische der historischen antizionistisehen Resolution der UNO nachzudenken. Man könnte über das Eigentor lächeln, das sich die arabischen Initiatoren dieser Resolution schössen, als sich herausgestellt hatte, daß die überwiegende Mehrzahl der westlichen Nationen diesmal geschlossen ihre Sympathien für Israel ausdrücken würden, was schon lange nicht geschehen ist.

Viel wichtiger ist es, in diesem Zusammenhang über die Zukunft der UNO nachzudenken, die durch die Annahme dieses politischen Pamphlets in ernste Gefahr geraten ist.

Es dürfte auf der Hand liegen, daß die' initiative zu dieser Resolution Und zu verwandten pröpaläsiinensi-schen Beschlüssen vom radikalen Flügel der Araber ausgegangen ist, dem es nicht gelungen war, sieh mit seinen Bestrebungen, Israel aus den Vereinten Nationen „hinauswählen“ zu lassen, durchzusetzen. (Nicht einmal bei allen seinen arabischen Mitstreitern.) Beflügelt wurde diese Initiative offenbar durch die ägyptischisraelische Entspannung im Bereich der Halbinsel Sinai, die das arabische Lager zu spalten droht.

Also nichts als einer der zahlreichen Querschüsse gegen die ägyptisch-israelische Entspannung, wie sie in Form von mörderischen Anschlägen gegen israelische Städte fast schon zur Tagesordnung gehören? Ein Anschlag gegen den Wachsenden Einfluß der USA in Ägypten? Eine Revanche für das Stolpern der Sowjetunion in diesem Raum? Nein — bedeutend mehr als das. Ein wohl unbewußter, aber schwerer Anschlag auf die Existenz der Vereinten Nationen. Wenn Kinder oder Narren mit dem Feuer spielen, sind sie sich oft der Konsequenzen ihres Tuns nicht bewußt.

Denn die Zionistenresolution hat dn den USA das letzte, bescheidene Reservoir an Good will für die Vereinten Nationen zerstört. Man darf nicht übersehen, daß der riicn't* gerade international orientierte amerikanische Mittelstand von Anbeginn für die Vereinten Nationen wenig-übrig hatte. In diesen Kreisen wird der Vergleich mit einer überflüssigen „Quatschbude“, den Hitler so häufig und doch auch so erfolgreich gegen den Genfer Völkerbund verwendete, oft angestellt. Schließlich ist die Initiative zu dieser Organisation in erster Linie von Hnks-libera-len Kreisen vor allem innerhalb der Demokratischen Partei ausgegangen, von einer sehr dünnen intellektuellen Schicht, die den nationalistischen Geist, der zum Zweiten Weltkrieg führte, damit für immer zu bannen vermeinte. Gerade diese Kreise wurden durch die Zionistenresolution mit dem Vorschlaghammer getroffen. Man mußte nur die New York Times, die Bibel dieser Kreise, lesen, um die tiefe Enttäus6hung, verbunden mit ohnmächtiger Wut, zu spüren. Außenminister Kissinger und Präsident Ford versuchten empörte Kongreßmitglieder zu warnen, und gaben zu bedenken, daß ein Austritt der USA aus der UNO nicht die richtige Antwort sei. Trotzdem sind empfindliche finanzielle Einschränkungen der USA gegenüber der UNO und deren Nebeneinrichtungen wahrscheinlich. Wenn heute angesichts des drohenden Bankrotts der Stadt New York einer dafür werben würde, die Weltorganisation aus New York auszuweisen, wäre er einer der populären Helden des Ta-gee. Zu diesem Stimmungstief in Amerika zugunsten der UNO kommt noch, daß die Verkehrung der politischen Fronten in der Detentefrage, die UNO ihrer letzten Anhänger beraubt. Während nämlich früher das Eintreten für ein Ende des Kalten Krieges parallel ging mit einem Eintreten für die UNO, zeigt sich, bedingt durch die Zionistenresolution, heute ein frisch erwachtes Miß-traun gegen die Sowjetunion, gepaart mit einer tiefen Enttäuschung über die Entwicklung in der UNO. Starke pwlfttische Kräfte der Demokraten, verkörpert durch den Präsidenten des Gewerkschaftsbundes Meany, den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Jackson, oder, bei den Republikanern, früher erklärten Freunden der Vereinten Nationen wie den jüdischen Senator von New York, Jav Yots, verbinden nun ihre Ablehnung der Detentepolitik Fords mit einer eisigen Einstellung gegenüber der UNO. Hier spielt die Angst, daß die Sowjetunion den Exodus russischer Juden unter Berufung auf die antizionistische Resolution blockieren könnte, eine gewichtige Rolle.

Daß die Verfechter der Detentepolitik in der Regierung ihren an und für sich schweren politischen Stand nicht noch mit einem energischen Eintreten für die Vereinten Nationen belasten werden, ist selbstverständlich.

Die Zionistenresolution hat daher das politische Spektrum der USA weit nach rechts verschoben, wobei „rechts“ in dieser Frage nationali-stischj binnensichtig, antiinternational heißt. Immer häufiger fragt man sich daher auch, ob das Argument, die UNO sei der letzte Arbiter vor dem Ausbruch einer Weltkatastrophe, stichhältig ist.

Kann man sich überhaupt vorstellen, daß Großmächte, und dazu zählen auch westeuropäische Staaten, ihr Schicksal in emster Stunde einer Organisation zur Schlichtung anvertrauen würden, ih der sie kraft der Konstruktion der UNO automatisch in der Minderheit bleiben müssen?

Alle diese Ungereimtheiten, die schon seit langem eine latente Ablehnung des herrschenden Systems in der UNO herbeigeführt haben, wurden durch die Antizionistenreso-lution virulent. Wir dürften daher in Kürze sehr viel mehr über die Zukunft der UNO zu hören bekommen, da der Ruf: so geht es nicht mehr weiter, zumindest in den USA zu einem Chor anschwellen wird.

Wer dabei initiativ werden wird, ist noch unklar. Da 1976 aber ein Wahljahr ist, könnte ein Slogan wie: „Heraus aus der UNO!“ oder „Die UNO hinaus aus den USA!“ recht populär werden. Man darf nicht übersehen, daß in diesem Wahlkampf der Champion des amerikanischen Kleinbürgertums, George Wallace, eine bedeutende Rolle spielen wird. Vor allem ist es aber jetzt auch in intellektuellen Kreisen salonfähig geworden, mit dem Austritt aus der Weltorganisation zu liebäugeln.

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