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12mal kam der Bumerang

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Vierundzwanzig Jahre lang hat das Komitee für „unamerikanische Tätigkeiten“ des Repräsentantenhauses all« Versuche, es aufzulösen, überlebt.

Obwohl es keine Anklagebehörd« ist und keinerlei richterliche Befugnisse hat, haben seine „Vernehmungen“ — besonders zur Zeit, als McCarthy sich ihrer bediente — mit dabe protokollierten, unbewiesenen unc dann der Presse übergebenen Verdächtigungen gegen jeden, den als „Kommunisten“ oder „kommunistenfreundlich“ zu denunzieren, es für angebracht hielt, immer wieder Unsicherheit, Unruhe und — Furcht verbreitet.

In zahllosen Fällen ist dem „House Un-American Activities Committee“ — von dem der ehemalige Präsident Truman gesagt hat, daß es die „unamerikanischeste“ Angelegenheit in Amerika ist — Verletzung der bürgerlichen Rechte nachgewiesen worden.

All das hat die Verfolgstypen des Komitees nicht berührt. Jetzt ist etwas passiert, was dem Komitee noch nicht vorgekommen ist: Ein Dutzend Hausfrauen haben vor seinem Untersuchungstisch durch ihren Freimut die Fragesteller so in Verlegenheit gebracht, daß die Vernehmungen übereilt abgebrochen wurden.

Man hatte die Absicht gehabt, die sogenannten „Friedensbewegungen“ einmal unter die Lupe zu nehmen und herauszufinden, ob und wieweit sie kommunistisch unterwandert seien.

Pazifistische Gruppen hat es in den USA schon immer gegeben. Das waren kleine Zirkel, teils von radikalen Sozialisten, teils von überzeugten Christen gebildet, die, soweit sich nicht gelegentlich die Quäker an bestimmten Aktionen beteiligt haben, so ziemlich unter Ausschluß der Öffentlichkeit agierten. Immerhin sind während des Krieges einige Tausend Kriegsdienstverweigerer in behördliche Schwierigkeiten geraten. In den letzten Jahren hat sich das Bild unmerklich verändert, bis die Bewegung gegen Aufrüstung, gegen Atomwaffen und für übernationale Abrüstung neue Konturen bekam und mehr und mehr zur Kenntnis genommen werden mußte.

Das hat vor allem damit zu tun, daß neben dem „weltanschaulichen“ Pazifismus der alten Gruppen — die noch immer recht zersplittert sind — ein neues Element in den „Friedensbewegungen“ auftauchte: Im Grunde unpolitische, aber von der Sorge um ihre Kinder getriebene Frauen des Mittelstandes begannen sich allerorts zu regen und wurden schließlich, auf Initiative einer Washingtoner Hausfrau, Dagmar Wilson, zu einer losen, über das ganze Land sich ausbreitenden Gruppe, „W omen strike for P e a c e“ (Frauen kämpfen für den Frieden) zusammengefaßt, die für Abrüstung unter internationaler Kontrolle und für Stärkung der Vereinten Nationen eintrat, sich mit Protesten gegen die Fortführung der Atomversuche sowohl an Kennedy wie an Chruschtschow wandte, eine Delegation nach Genf zur Abrüstungskonferenz sandte und im Land selbst von sich hören machte.

Der Versuch, einzelne als „Kommunisten“ zu entlarven, mißlang: In einem Fall hatte man einfach eine prokommunistische Erklärung einer Person gleichen Namens von einem anderen Landesteil vorgelegt, in einem anderen die nie geleugnete und nie weiterverfolgte Zugehörigkeit zu einer prokommunistischen Studentengruppe einer im mittleren Alter befindlichen Frau als belastend vorgehalten.

Und als auf die Frage, ob die Gruppe etwa auch Faschisten und Nazis aufnehmen würde, naiv und offen geantwortet wurde: „Natürlich — wenn sie nur unsere Ansichten übernehmen würden ... blieb den vernehmenden Abgeordneten irgendwie der Atem tveg. Mit einer lahmen Ehrenerklärung für den Patriotismus der Frau Wilson schloß eine der öffentlichen (nicht alle waren öffentlich!) Vernehmungen.

Der ganzen Prozedur fehlte auch die zusätzliche Dramatik „von außen“ nicht: Der ehemalige FBI-Agent Jack Levine, der kurze Zeit vorher in der Zeitschrift „Nation“ und im Rundfunk schwerwiegende Vorwürfe gegen das „Federal Bureau of Investigations“ und seinen Chef Hoover erhoben hatte, mußte mit Gewalt aus dem Saal geführt werden, als er die Verhandlung mit Zwischenrufen unterbrach, die sie als Verfassungsbruch bezeichneten ...

Nun hat zweifellos das ganze zwei Seiten: Es kann kaum ein Zweifel daran bestehen, daß die Kommunisten systematisch Leute in liberale Organisationen schicken (wenn man Mister Levine glauben kann, allerdings kaum mehr als das FBI in die KP geschickt hat!). Aber es stimmt nicht, daß man sich ihres Einflusses nicht erwehren kann: Sowohl die Gewerkschaften wie die ADA (American s for De-moeratie Actions), sowohl die NAACP (National Association for the advancement of colored people) wie die Civil L i b e r t i e s U n i o n haben mit Erfolg, unter Ablehnung antikommunistischer Hysterie, das getan.

Wo solche Unterwanderungsversuche in der Tat staatsgefährlich werden, hat überdies das Justizministerium und das FBI alle legalen Möglichkeiten des Eingreifens. Das unamerikanische Komitee mit seinen Methoden der Hexenverfolgung steht außerhalb gesetzlichei Einrichtungen. Sein parlamentarisches Mandat, „Fragen stellen zu dürfen“ ist zu oft mißbraucht worden, als daf die Nation es länger tolerieren sollte wie der Kongreßabgeordnete Willian F. Ryan (Demokrat von New York' anläßlich des Hausfrauenzirkus' nocl einmal unmißverständlich erklärt hat Und selbst die Komiteemitglieder können kaum den Eindruck gehabt haben daß die 400 Mütter, die den „Angeklagten“ stehend zujubelten, als dii verblüfften Parlamentarier sie etwa verlegen schauend verabschiedeten Glieder der kommunistischen Welt Verschwörung waren. Frauen wol'.ei Frieden — und eine Zukunft für ihn Kinder. Das scheint denn doch nich „unamerikanisch“ zu sein.

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