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Haupthindernis: Schaukelpolitik

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Das Haupthindernis für die Entfaltung des Kommunismus unter den Negern bildete bis in die jüngste Zeit die fortwährende Schaukelpolitik der KPUSA, die in der Stalin-Ära (gleich den kommunistischen Parteien aller anderen Länder) sämtliche Schwankungen der Innen- und Außenpolitik des Kreml gehorsam mitmachen mußte. Diese Akrobatik war um so schwerer zu verheimlichen, als die KP in den USA, vor allem während der Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre, ihre Anhänger weniger unter dem Proletariat als vielmehr unter unzufriedenen weißen und schwarzen Intel-tlfckwfelten ' rekrutier->hatWtiJ!*H*5itnun imstande waren, die mannigfachen politischen Gliederverrenkungen der Partei zu erkennen und zu kritisieren.

Es war, das merkte man, den Kommunisten nicht darum gegangen, faktisches Unrecht zu beseitigen, sondern allein darum, die Unzufriedenheit zu schüren und daraus Kapital zu schlagen. Um die Hörigkeit der KPUSA zu sichern, hatte Stalin deren Führung 1929 abgesetzt, aus der Partei geworfen und eine neue Führung eingesetzt, die nach der Moskauer Pfeife tanzte. Einige unvergessen gebliebene Beispiele:

Noch 1935 schrieb James W. Ford, als Kandidat für die Vizepräsidentschaft einer der prominentesten US-Kommunisten, eine Broschüre, in der er die unglückliche Idee des „Black Belt“ zu reaktivieren versuchte. Bald darauf, bedroht durch die Achse Berlin-Rom-Tokio, legte der Weltkommunismus sein revolutionäres Programm aufs Eis und kreierte die berüchtigte „Volksfrontpolitik“. Folgsam schrieb nun der gleiche James W. Ford ein Buch, das darin gipfelte, daß er niemand geringeren als George Washington als geistigen Führer einer Einheitsfront gegen den britischen Absolutismus pries I

Später kam der Hitler-Stalin-Pakt, und jetzt war die KPUSA plötzlich wieder bereit, sich an die Spitze des Kampfes gegen die Rassendiskriminierung zu stellen. Das girlg bis 1941, bis zum Einfall Hitlers in die Sowjetunion — über Nacht vergaßen die US-Kommunisten den Kampf für die Neger, sie steigerten sich in die Rolle von Superpatrioten, denen nichts wichtiger war als der Endsieg der Alliierten. Und Mister James W. Ford schrieb Artikel wie: „Mobilisiert die Neger für den Sieg.“

Die Fernlenkung aus Moskau wurde auch sichtbar, als die Regierung während des Krieges Maßnahmen gegen Japaner und gegen Amerikaner japanischer Abstammung ergriff, die zwar recht mild waren und von ähnlichen Maßnahmen anderer kriegführender Länder meist übertroffen wurden, in „Gottes eigenem Land“ jedoch das Odium von Rassenvorurteilen trugen. In zahlreichen demokratischen Blättern,wie der „New York Times“ und vielen anderen, wurden diese Maßnahmen ausführlich kritisiert, in Leitartikeln und Leserbriefen wurde faire Behandlung gefordert. Die kommunistische Presse aber schwieg, so sehr, daß sie es nicht einmal wagte, die Verordnung als solche auch nur zu berichten.

All diese Schach- und Winkelzüge haben die KP in den USA jahrzehntelang schwerstens desavouiert. Nach 1945 konnte der US-Kommunismus wieder ungehemmt in die Linie des Kampfes gegen die Rassenvorurteile'-einschwenken, und kein' -anderer Aspekt der Innenpolitik nimmt seine Aufmerksamkeit so sehr in Anspruch. In der neuen Ära kommunistischer Weltpolitik erlaubt der Kreml seinen offiziellen und getarnten Organisationen in den verschiedenen Ländern eine weitgehend elastische Taktik, die die Aufgabe hat, sich den Gegebenheiten anzuschmiegen. Dies, im Verein mit der sprichwörtlich straffen Organisation der Partei, zeitigt nun auch unter den amerikanischen Negern manche Erfolge, die freilich nicht überschätzt werden dürfen.

Der Haupterfolg der neuen Taktik war zunächst, daß sich die KPUSA mit aller Macht auf die Negerfrage werfen konnte, in der Hoffnung, eine Unterminierung des amerikanischen Lebens einerseits und steigende Wahlzahlen anderseits zu erzielen — und zwar, ohne im Detail an die strenge Doktrin der marxistischen und leninistischen Lehren (zumindest äußerlich) gebunden zu sein.

In diesem Sinn konnte es geschehen, daß der kommunistische Theoretiker James E. Jackson in einem Artikel in „Political Affairs“, der bei seinem Erscheinen im März 1957 Aufsehen erregte, die bisherigen Mißerfolge der Partei unter den Negern durch die während der Stalin-Periode bewiesene starre Haltung des Kreml erklärte. Jackson prangerte die „überholten doktrinären Einstellungen“ an und forderte seine Parteigenossen auf, nicht allein die bedeutendste Negerorganisation N. A. A. C. P., sondern sogar die Negerkirchen (!) nach Kräften im Kampf um ihre Ansprüche zu unterstützen.

Dazu muß erklärt werden, daß der N. A. A. C. P. („National Association for the Advancement of Colored People“, der Verband zur Förderung des Aufstiegs des farbigen Volkes), der bereits am 12. Februar 1909, also am hundertsten Geburtstag Abraham Lincolns, gegründet wurde, der wichtigste Vorkämpfer für die Gleichberechtigung der Neger ist, Der Verband steht, wie auch aus der symbolischen Wahl des Gründungstages hervorgeht, voll und ganz auf dem Boden der amerikanischen Verfassung und hat et seit seinem Bestehen verschmäht, auf die Straße zu gehen oder Revolten anzuzetteln.

Von den Marxisten, vor allem von den Kommunisten, stets verlacht, verspottet und oft bekämpft, ging der N. A. A. C. P., wo immer es möglich war, mit jedem strittigen Fall zu Gericht, im Vertrauen darauf, letzten Endes doch Recht zu erhalten. Und nun geschah das Erstaunliche. Entgegen den Prophezeiungen der Kommunisten betätigten sich die Gerichte (von Ausnahmefällen abgesehen) durchaus nicht als „Instrumente der herrschenden Klassen“, sondern sprachen meist unbeugsam Recht. So machte sich die angebliche Naivität des N. A. A. C. P. bezahlt, er gewann einen Prozeß nach dem anderen. Heute gibt es keinen Zweifel daran, daß die Beschlüsse unabhängiger Richter entscheidend zum bisherigen und längst nicht abgeschlossenen Aufstieg der Neger beigetragen haben.

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